Nach der Panne im Stausee Punt dal Gall im Schweizerischen Nationalpark hat das kantonale Amt für Jagd und Fischerei (AJF) gegen die Engadiner Kraftwerke EKW Anzeige erstattet. Beim Zwischenfall verendeten Tausende Wasserlebewesen.
Unter anderem müsse geklärt werden, weshalb der See so tief abgesenkt wurde, wird AJF-Fischereileiter Marcel Michel in einem Communiqué vom Montagabend zitiert. Michel beklagte zudem eine unzureichende Zusammenarbeit unter den Beteiligten. So sei zum Beispiel das Öffnen des Grundablasses nicht abgesprochen worden.
Durch den Zwischenfall bei den Engadiner Kraftwerken (EKW) verendeten am Samstag Tausende von Bachforellen und andere Wasserlebewesen, wie die EKW, der Nationalpark und das Amt für Jagd und Fischerei mitteilten. Der Spöl-Bach wurde auf etwa sechs Kilometern mit Schlamm zugedeckt.
Der Schaden sei noch nicht abschätzbar, sagte Jachen Gaudenz, Leiter Instandhaltung bei den Kraftwerken EKW, am Montag der Nachrichtenagentur sda. Erst die nächsten Tage dürften Klarheit bringen, was genau passiert sei und wo die Ursachen liegen.
Wegen technischer Probleme wurde zuerst die Restwasserversorgung im Bach Spöl lahmgelegt. Danach wurde der Bach mit Schlamm überschwemmt.
Blockiertes Dotiersystem
Zum Unfall beigetragen haben dürfte der ausserordentlich tiefe Wasserstand im Staubecken Livigno. Der tiefe Wasserstand hatte zur Folge, dass rund um die beiden Zuflüsse Spöl und Aqua del Gallo die in Staumauernähe abgelagerten Feinsedimente mobilisiert wurden.
Fachleute vermuten, dass als Folge davon Schlamm das sogenannte Dotiersystem blockierte. Weil offenbar auch die Überwachungssysteme ausfielen, konnte die rund um die Uhr besetzte Leitstelle der EKW die Panne nicht feststellen.
Parkwächter schlugen Alarm
Das fehlende Wasser im Spöl wurde erst durch dort patrouillierende Parkwächter festgestellt, die Alarm schlugen. In der Folge musste die so genannte Grundablassschütze am Fuss der Staumauer geöffnet teilweise werden, um den Fluss wieder mit Wasser zu versorgen.
Dies hatte allerdings den Effekt, dass eine unkontrollierbare Menge Schlamm in das Bachbett des Spöls unterhalb der Staumauer Punt dal Gall bis zum Ausgleichsbecken Ova Spin geschwemmt wurde. Dies hatte für die Flora und Fauna im betroffenen Bachabschnitt katastrophale Folgen.
Fische in Turbinen
Unabhängig davon verendeten zusätzlich Tausende von Saiblingen, nachdem sie in Punt dal Gall in das Triebwassersystem gerieten und die Turbinen des Kraftwerks Ova Spin passierten. Wieso diese Fische in das Triebwassersystem gerieten, ist gemäss den Kraftwerkbetreibern noch nicht klar.
Möglich ist, dass die Fische im Stausee Livigno aus dem trüben Wasser geflohen sind und deshalb in den Bereich des Ansaugstutzens und dadurch in die Turbinen gelangt sind, wie EKW-Abteilungsleiter Jachen Gaudenz am Montag vor den Medien sagte.
Als betriebliche Sofortmassnahme seitens der EKW wurde der Turbinenbetrieb in Ova Spin bis auf Weiteres eingestellt, so dass sich der Wasserspiegel im Staubecken Punt dal Gall erholen kann.
Die Engadiner Kraftwerke AG bedauerten den Vorfall «ausserordentlich». Man wolle «alles daran setzen, die Ursachen dieses Vorfalls aufzuklären und die Folgen möglichst rasch und unbürokratisch zu beseitigen».