Die vom Bundesrat eingesetzte Arbeitsgruppe hat keine Hinweise auf ein Geheimabkommen zwischen der Schweiz und der PLO gefunden. Auch die Ermittlungen zum Flugzeugabsturz bei Würenlingen im Jahr 1970 wurden offenbar nicht behindert.
Zu dem Schluss kommt die interdepartementale Arbeitsgruppe «1970» in einem Bericht, den der Bundesrat am Mittwoch zur Kenntnis genommen hat. «Nirgendwo findet sich ein Hinweis auf ein im September 1970 abgeschlossenes geheimes Abkommen», heisst es im Bericht.
Die Arbeitsgruppe hatte Zugang zu allen Dossiers, die sie einsehen wollte. Ihre Recherchen stützte sie ausserdem auf Fichen der Bundespolizei, auf Unterlagen aus dem Privatbestand von alt Bundesrat Pierre Graber sowie auf Aussagen von Grabers persönlichem Berater Pierre-Yves Simonin und des damaligen Vizekanzlers Walter Buser.
Die Arbeitsgruppe hatte auch schriftlichen Kontakt zu Farouk Kaddoumi, der allerdings keine Informationen preisgab. Der Repräsentant der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) soll mit dem Schweizer Aussenminister Graber in Genf ein geheimes Abkommen geschlossen haben. Das schreibt NZZ-Reporter Marcel Gyr im Buch «Schweizer Terrorjahre», das im Januar erschienen ist.
Anonyme Quelle
Demnach hat die Schweiz der damals als Terrororganisation eingestuften PLO Unterstützung auf internationalem Parkett zugesichert. Im Gegenzug soll die PLO dafür gesorgt haben, dass die militanten palästinensischen Gruppen keine weiteren Anschläge auf Schweizer Ziele verübten.
Zuvor war die Schweiz von mehreren Terroranschlägen betroffen gewesen. Der schwerwiegendste davon war der Bombenanschlag auf eine Swissair-Maschine, die im Februar 1970 bei Würenlingen AG abstürzte. 47 Menschen verloren dabei ihr Leben.
Gemäss dem Bericht fand die Arbeitsgruppe keine Quelle, die ein Treffen zwischen Graber und Kaddoumi bestätigt oder glaubhaft erscheinen lässt. Kaddoumi selber gibt an, sich an nichts zu erinnern. «I don’t remember», lautet die Antwort auf jede Frage. Nach Erkenntnissen der Arbeitsgruppe soll er erst 1976 erstmals in die Schweiz gereist sein. Mit einer anonymen Quelle des Buchautors war kein Kontakt möglich.
Gyr warf in seinem Buch auch die Frage auf, ob das Abkommen einen Einfluss auf die Ermittlungen zum Attentat von Würenlingen hatte. Als Hinweise darauf wertete er die angebliche Anwesenheit des damaligen Bundesanwalts Hans Walder in Genf und das mögliche Verwandtschaftsverhältnis zwischen dem palästinensischen Unterhändler und den mutmasslichen Urhebern des Anschlags von Würenlingen.
Die Bundesanwaltschaft verdächtigte die beiden jordanischen Staatsangehörigen Kaddoumi Sufian Radi und Mass Badawi Jahwe. Die Ermittlungen verliefen allerdings im Sand. Gemäss dem Bericht der Arbeitsgruppe gibt es aber keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Ermittlungen behindert worden wären.
Aus den konsultierten Dossiers hätten sich keine Hinweise auf eine mögliche, politisch motivierte Einflussnahme des Bundesrats auf das gerichtspolizeiliche Ermittlungsverfahren ergeben, heisst es in dem Bericht. Das bestätigte auch die ehemalige Bundesanwältin Carla Del Ponte, die die Akten 1995 noch einmal hervorgeholt hat. Nach eigenen Angaben wurden ihr bei den Untersuchungen keine Steine in den Weg gelegt.
Freilassung vorbereitet
Auch wenn es kein Geheimabkommen gab und die Ermittlungen nicht verschleppt wurden – Hinweise auf einen gewissen politischen Pragmatismus Grabers liefert der Bericht durchaus. Er befürchtete, dass die Palästinenser Terroranschläge verüben könnten, um drei in Zürich inhaftierten Mitglieder der Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) zu erwirken.
Sein Departement versuchte daher, «sehr diskrete Kontakte zu palästinensischen Organisationen herzustellen, auch durch Vermittlung von Personen ausserhalb der Bundesverwaltung», wie es in dem Bericht heisst. Zudem verabschiedeten die Zürcher Behörden und die Bundesbehörden ein gemeinsames Dispositiv zur Freilassung der drei Gefangenen im Falle einer Geiselnahme.
Genau dieser Fall trat mit der Entführung einer Swissair-Maschine in die jordanische Wüste bei Zerqa ein. Die drei PFLP-Mitglieder wurden daraufhin freigelassen. Gemäss dem Bericht informierte Graber den Bundesrat über die getroffenen Vorbereitungen.
Die Arbeitsgruppe bestand aus Vertretern des Eidg. Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA), des Eidg. Justiz- und Polizeidepartements (EJPD), des Verteidigungsdepartements (VBS), des Schweizerischen Bundesarchivs sowie der Bundesanwaltschaft. Sie konsultierte in den letzten Monaten rund 400 Dossiers, wobei alle Unterlagen von zwei Personen aus verschiedenen Ämtern geprüft wurden. Der Bericht wird nun den Geschäftsprüfungskommissionen der beiden Räte (GPK) weitergeleitet.