Argo – fuck yourself.

Während die CIA aktuell alles tut, um den Iran als Schurkenstaat aufzubauen, wendet sich Hollywood der vorgängigen Iran-Geschichte zu: Jenen Jahren also, in denen die CIA den Schah als Diktator und seine Geheimpolizei als Schergen installierte und – scheiterte. Spannend ist dabei die kleine Nebenrolle Hollywoods auf amerikanischer Seite. Während die CIA aktuell alles tut, […]

Während die CIA aktuell alles tut, um den Iran als Schurkenstaat aufzubauen, wendet sich Hollywood der vorgängigen Iran-Geschichte zu: Jenen Jahren also, in denen die CIA den Schah als Diktator und seine Geheimpolizei als Schergen installierte und – scheiterte. Spannend ist dabei die kleine Nebenrolle Hollywoods auf amerikanischer Seite.

Während die CIA aktuell alles tut, um den Iran als Schurkenstaat aufzubauen, wendet sich Hollywood der vorgängigen Iran-Geschichte zu: Jenen Jahren also, in denen die CIA den Schah als Diktator und seine Geheimpolizei als Schergen installierte und – scheiterte. Spannend ist dabei die kleine Nebenrolle Hollywoods auf amerikanischer Seite.

Die Ayatollas hielten nach der Vertreibung des Diktators 55 amerikanische Geiseln als Pfand, um den geflüchteten Schah einzutauschen und vor Gericht zu stellen. Der Handel kam nie zustande. Der Diktator starb unbehelligt in Ägypten. Dieses etwas peinliche Kapitel US-Amerikanischer Nahost-Irrtümer wäre vielleicht nicht Gegenstand eines Filmes geworden, wenn nicht  – se non e vero, e ben trovato – Hollywood ein Akteur  in der Befreiung von 6 Geiseln gewesen wäre.

Ben Affleck hat sich der Sache angenommen und ist zumindest in dieser Hinsicht ein Grosstalent: Er hat wieder ein grandioses Drehbuch geschrieben («Good Will Hunting», «The Town»). Als sein eigener, nicht besonders brillianter Hauptdarsteller stellt er sich auch gleich selbst vor die Kamera und guckt sich hinter der Kamera zu: Er inszeniert den Thriller um die Ausschleusung bis zu seiner letzen Zuspitzung spannend und – lässt besseren Schauspielern in Nebenrollen den Vortritt. Die sind dann auch gut.

Was war damals im Iran los? Die CIA hatte drei Wochen vor dem Umsturz den Schah noch als absolut ungefährdet eingeschätzt. Was folgte, war die Vertreibung des Schahs und eine blutige REvolution. Nach der Fehleinschätzung der CIA ging dies so schnell, dass sich nicht einmal die Botschaftsmitarbeiter retten konnten: Sechs Amerikaner konnten in die kanadische Botschaft fliehen. 55 wurden einundeinhalbes Jahr als Geiseln festgehalten. Was aber sollte mit den  Untergetauchten in der kanadische Botschaft werden?

Wie kriegt man sechs der Spionage verdächtigte Botschaftsmitarbeiter aus einem komplett abgeschirmten Land? Die CIA wägt Optionen ab, die sie heute noch hat: So tun als wäre man das Rote Kreuz? Sich als Sprachlehrer tarnen? Nichts scheint unverdächtig, ausser einer höchst absurden Idee: Indem man vorgibt, einen Sciencefiction Film drehen zu wollen! Ausgerechnet in Teheran? Wie aber soll man in den Augen des iranischen Geheimdienstes, den man selber geholfen hat aufzubauen, glaubwürdig wirken? Wie kann man verhindern, dass die Sache schief geht, und die sechs Mitarbeiter, die in einem Versteck in der kanadischen Botschaft untergetaucht waren, als Spione hingerichtet werden?

Da braucht es schon mehr als nur ein bisschen Schnurrbärte aufkleben. Es braucht mehr als nur einen Maskenbildner, um ein bisschen Filmcrew zu spielen. Es braucht eine veritable Grossproduktion. In wenigen Tagen stampfte Hollywood ein Filmprojekt aus dem Boden, mit einem einzigen Dreh- und Angelpunkt: Bei der Recherche für den Dreh will man mit sechs Mitarbeitern an der Angel aus Teheran fliehen.

Wir dürfen nun hinter den Kulissen Zeugen sein, wie dieses Filmprojekt zusammengeschustert wird. Die ganze Hollywoodkulisse dient der Spannung und unserer Erheiterung. Drehbuch, Casting, Erste Lesung. Spätestens bei den Studioszenen wird klar, warum Hollywood den Stoff einfach machen musste: Diese Filmproduktion ist ein gerissenes Täuschmanöver. Eine Fabrikation von Schein. Wenn auch der Schein in Wirklichkeit einer anderen Wirklichkeit dient – der Film im Film hätte so durchaus auch stattfinden können. Selbst das Abwimmeln der Pressefragen trifft mit hoher Wahrscheinlichkeit: «Argo, das ist doch das Dings da, von den Argonauten?» «Ehm, yes, eh, Argo fuck yourself!» Hollywood inszeniert sich als Teil einer Verschwörung zum Zwecke der Befreiung. Nur so kann dieser Fischzug gelingen.

Je patriotischer der Film zum Schluss hin wird, desto intelligenter löst er sich auf: Die CIA hatte zwar den richtigen Dreh gefunden, wie sie die sechs Botschaftsmitarbeiter ausschleusen konnte. Die fiktive Filmproduktion wird ein Grosserfolg! Aber was ist ein Grosserfolg für eine Filmproduktion, wenn niemand davon erfahren darf? Der Sieg der CIA war gleichzeitig eine Niederlage Hollywoods. Der Fischzug musste geheim bleiben, um nicht das Leben der restlichen Geiseln zu gefährden! Von der Heldenrolle Hollywoods im Dienste der Freiheit durfte niemand etwas erfahren. Nicht einmal die beteiligten SchauspielerInnen!

Umso verständlicher ist, dass sich Hollywood nun ein spätes Denkmal setzt. Schäbig. Schnodderig. Listig. Stur. Spannend. Und letztlich wunderbar fiktiv. Der Oscar für Patriotismus wäre gewiss. Doch den gibt’s – noch? – nicht….

 

 

Nächster Artikel