Einen Tag vor der Präsidentschaftswahl in Nigeria haben die Streitkräfte des westafrikanischen Landes nach eigenen Angaben das Hauptquartier der islamistischen Terrorgruppe Boko Haram erobert. Die Angaben konnten nicht unabhängig bestätigt werden. Viele Nigerianer sind skeptisch über den plötzlichen Erfolg gegen die Extremisten.
Die nigerianischen Streitkräfte haben gemäss eigenen Angaben die Kontrolle über die nordöstliche Stadt Gwoza übernommen. Diese soll die Zentrale der Terrorgruppe Boko Haram sein. Bei der Einnahme wurden die Soldaten von Luftangriffen unterstützt.
Mit der Einnahme Gwozas seien die drei umkämpften Bundesstaaten im Nordosten – Adamawa, Yobe und Borno – aus den Klauen Boko Harams befreit, sagte Militärsprecher Chris Olukolade am Freitag. Dies sei nicht zuletzt dank der Unterstützung der Streitkräfte der Nachbarländer Tschad, Kamerun und Niger gelungen.
Beim Kampf um das Boko-Haram-Hauptquartier seien mehrere Terroristen getötet und viele weitere verhaftet worden. Zudem sei viel Munition beschlagnahmt worden. In der Region sei nun ein grosser Sucheinsatz im Gange, «um fliehende Terroristen oder Geiseln in deren Gewalt zu lokalisieren».
Olukolade zufolge markiert die Einnahme Gwozas einen entscheidenden Schritt, damit «keine Reste des Terrorismus in unserem Land übrigbleiben». Die Angaben konnten nicht unabhängig bestätigt werden.
Plötzliche Erfolge
Viele Nigerianer sehen die Erfolge im Kampf gegen Boko Haram mit Skepsis, da die Terrorgruppe in den fünf Jahren zuvor trotz der Bemühungen der Streitkräfte stets mehr Macht und Gebiete hatte an sich reissen können.
Erst seit Präsident Goodluck Jonathan die ursprünglich für Mitte Februar geplante Präsidentschaftswahl im letzten Moment wegen der instabilen Sicherheitslage im Nordosten des Landes um sechs Wochen verschob, kann die Armee zahlreiche Erfolge vermelden.
Jonathas Herausforderer Muhammadu Buhari wirft seinem Gegner denn auch vor, den Kampf gegen Boko Haram nur schleppend geführt zu haben. Buhari werden gute Chancen auf einen Wahlsieg eingeräumt.
Die sunnitischen Fundamentalisten von Boko Haram terrorisieren den Nordosten des ölreichen westafrikanischen Landes seit 2009. Bei Anschlägen und Angriffen der Gruppe sind seither mindestens 14’000 Menschen getötet worden. Rund 1,5 Millionen Nigerianer sind wegen der Gewalt aus ihrer Heimat geflohen.
Blutiges Kalifat ausgerufen
Gwoza liegt unweit der kamerunischen Grenze im Bundesstaat Borno. Die Islamistengruppe hatte von dort aus im vergangenen Jahr ein «Islamisches Kalifat» ausgerufen.
Zuletzt hatte es Spekulationen gegeben, wonach sich Boko-Haram-Anführer Abubakar Shekau und seine treuesten Gefolgsleute in der Stadt aufhielten. Angeblich sollten auch Geiseln dort sein, darunter viele der mehr als 200 im vergangenen Jahr in Chibok entführten Schülerinnen. Es gab für diese Berichte jedoch keine Bestätigung.
Nach Augenzeugenberichten soll die Islamistengruppe während ihrer Herrschaft zahlreiche zwangsverheiratete Frauen getötet haben. Shekau habe seinen Kämpfern befohlen, ihre eigenen Frauen zu erschiessen, berichtete Usman Ali, der von Boko Haram als Kämpfer zwangsrekrutiert worden war.
Der Einwohner Haruna Abubakar bestätigte das Blutbad. Beide Männer konnten aber nicht sagen, wie viele Frauen genau getötet wurden.
UNO befasst sich mit Lage
Der UNO-Menschenrechtsrat will sich am kommenden Mittwoch in einer Sondersitzung mit Übergriffen der Islamistengruppe Boko Haram in Nigeria und angrenzenden Ländern befassen. Das gab der Präsident des Gremiums, der deutsche Diplomat Joachim Rücker, bekannt.
Algerien habe im Auftrag der Gruppe der afrikanischen Länder einen entsprechenden Antrag gestellt. Dafür stimmte mehr als das zur Einberufung einer Sondersitzung erforderliche Drittel der Mitgliedstaaten.