Arno Del Curto ist ein Urgestein der Schweizer Sportszene. Der sechsfache Meistercoach des HC Davos spricht mit der Nachrichtenagentur sda über andere NLA-Saurier und Trainergrössen, die er bewundert.
Das sagt Arno Del Curto über …
… aktive Saurier in der NLA und ihre Bedeutung.
«Mathias Seger ist einer. Ein Saurier besitzt die Leidenschaft und Energie, eine Gruppe anzuführen. Er kann mithelfen, zusammen erarbeitete Strategien mit dem Team umzusetzen – er ist wichtig für die ganze Idee. Solche Persönlichkeiten haben immer ein ausgeprägtes Verantwortungsbewusstsein. Aber sie sind inzwischen fast ausgestorben. Social Media veränderte die Welt. Zusammen mit Martin Plüss ist Segi wohl einer der letzten Mohikaner, aber sie werden verschwinden. »
… seine bald 21-jährige Ära beim HC Davos.
«Es gab schon auch Schwierigkeiten. Es hätte zu einer Abnützung kommen können. Es war nicht alles Gold, was glänzte. Aber ich will immer mehr, darum geht es weiter. Ich hatte das Momentum von Favre (meint den Abgang in Gladbach) auch schon, aber ich liess die Selbstaufgabe nicht zu. Trotz Enttäuschungen, fehlender Akribie, wachsender Genügsamkeit, schwindender Freunde und zunehmend mehr Ausreden.»
… Intuition.
«Im Eishockey ist Intuition das Wichtigste. Spielzüge sind planbar, aber dann kommen Hürden ins Spiel, unvorhersehbare Aktionen des Gegners. Dann muss man innerhalb von Sekundenbruchteilen neu entscheiden. Reine Planung verlangsamt das Spiel, deshalb ist die Intuition ja so entscheidend. Sie ermöglicht die notwendige Intensität erst. Ein Spiel auszulösen, es zu lesen, ist das mit Abstand Schwierigste unserer Sportart und gleichzeitig das Genialste.»
… einschneidende Veränderungen seit seinem NLA-Einstieg 1996.
«Alles ist viel schneller – überall, in jedem Bereich. Die Leute werden auch schneller nervös und ungeduldig. Da spielen die sozialen Medien eine Hauptrolle. Ich stelle generell fest, dass die Bereitschaft kleiner ist, einen Karren gemeinsam aus dem Dreck zu ziehen. Jeder hofft auf den anderen, jeder glaubt, der Nächste erledigt es dann schon für einen.»
… Druck.
«Ich habe keinen. Es gibt hingegen einen Teamdruck, einen psychischen Druck, den man sich selber einredet. Mir fällt dazu der Fussball-Cup ein. Dort wächst der Kleine, der Favorit macht Fehler, unterschätzt etwas, gerät unter Druck. Sie sehen, der Begriff ist dehnbar.»
… Multi-Genies.
«Erfolg? Leidenschaft? Vision? Es gibt so viele Aspekte. Aber vergessen wir eines nicht: die Lauftechnik, Schusstechnik, die Skills, das Fachliche. Die Kondition, die Schnelligkeit, die Entwicklung im physischen Bereich. Man benötigt als Coach heute zusätzliche Fachleute, sonst müsste man ein Multi-Genie sein. Oder denken Sie, ich hätte von Goalies eine Ahnung? Nein. Keiner, der nie selber im Tor stand, versteht davon etwas.»
… wenig Schweizer Hockey-Kulturschaffende.
«Es ist zu wenig Vertrauen da. Man sollte die Trainer aus der Schweiz enger begleiten, sie in Tiefs stützen. Die Einheimischen müssen etwas wagen, etwas riskieren. Aber die Angst schwingt bei vielen mit, das ist gefährlich. Wo sind die sehr Guten, die Leute führen können? Leidenschaft ist die Voraussetzung. Das Fachwissen muss wasserdicht sein, da dürfen nie Zweifel aufkommen.»
… faszinierende Trainerpersönlichkeiten – auch ausserhalb der Eishockey-Familie.
«Lucien Favre! Er ist ein Genie mit einem eigenen Stil und hoher Fachkompetenz, Er kann alles vermitteln. Er verkörpert die pure Leidenschaft, Favre bringt alle weiter. Ein Genie, basta! Ich bin beeindruckt von ihm. Arsène Wenger, Alex Ferguson, Pep Guardiola, da brauchen wir nicht diskutieren. Simeone! Was er mit Atletico Madrid bewegt hat, ist einzigartig. Im Eishockey kommen mir die früheren ZSKA-Moskau-Trainer in den Sinn oder Scotty Bowman. Ich beobachte vor allem die Fussball-Trainer. Früher habe ich selber leidenschaftlich gern gespielt, aber in St. Moritz ist der Puck nun mal wichtiger als der Ball.»