Der SC Bern jubelt und tanzt weiter. Nach den ZSC Lions droht nun auch dem Titelhalter Davos eine vorzeitige Entzauberung. Arno Del Curto will das Playoff-Lamento seiner Equipe sofort einschränken.
Bern taumelte, wankte, zankte – aber nur im Vorprogramm der NLA-Saison. Während den 50 Runden der Qualifikation hatte sich der Koloss von Trainer Guy Boucher getrennt und kämpfte im Februar unter Getöse bis zum vorletzten Spieltag gegen den Sturz ins tabellarische und sportliche Niemandsland.
Tempi passati, der SCB hat einen rasanten Wandel und eine Serie von sechs Playoff-Siegen hinter sich. Von den monatelangen Schwankungen ist kaum mehr etwas zu spüren. Im mentalen Bereich spielt der für einmal aus einer Aussenseiterposition gestartete Klub inzwischen alle möglichen Trümpfe aus. Noch vor wenigen Wochen drohte die Mannschaft nach sieben Fehltritten in Folge in der Bedeutungslosigkeit zu versinken, nun reiht sie einen Höhepunkt an die nächste Überraschung.
Der überragende Keeper
Das Selbstvertrauen ist mittlerweile grenzenlos. Jeder einzelne Akteur hält sich zu 100 Prozent an den Game-Plan von Trainer-Rookie Lars Leuenberger, jeder arbeitet leidenschaftlich, keiner weicht vom simplen, aber effizienten System ab. Kaum ein anderes Team begeht so wenige «unforced errors» wie der SCB, der kaum mehr Schwachpunkte offenbart.
Und einer wie Jakub Stepanek ist jederzeit in der Lage, das gewisse Extra zu bieten. Der Tenor der Mitspieler ist entsprechend: «Kuba hält uns im Spiel.» Der im letzten Dezember engagierte tschechische Keeper ist Gold wert und verschafft dem SCB auf der wichtigsten Position ein Plus, mit dem zu Beginn des Winters nicht zu rechnen war.
Aber nicht nur der Ex-KHL-Torhüter Stepanek konfrontiert die Bündner mit schwer zu lösenden Problemen. Figuren wie Thomas Rüfenacht fahren dem Favoriten weit mehr unter die Haut. Der Flügel der unberechenbaren Power-Linie, der bereits die ZSC Lions auf allen möglichen Schauplätzen in schmerzhafte Rencontres verwickelte, setzt die richtigen Reizpunkte.
Dem HCD setzt der kompromisslose Stil zu, die gesunde Härte der Berner löst beim Titelhalter eine gewisse Ratlosigkeit aus. Im Fall von Beat Forster führte sie gar zu einer Kurzschlusshandlung: Der Abwehrpatron verlor die Beherrschung und traktierte in der Schlussphase Rüfenacht mit dem Stock.
In der Ursachenforschung war das rustikale Element Berns in den Reihen der Verlierer das zentrale Thema: «Sie haben jeden Check konsequent abgeschlossen und machten uns so das Leben schwer», gestand Enzo Corvi. «Sie setzten uns extrem unter Druck.» Erstaunliche Statements von Protagonisten, die in der Champions League trotz einer vergleichsweise intensiveren Gangart erst im Halbfinal zu stoppen waren.
«Wir diskutieren zu viel»
Noch sei aber nichts entschieden, «der SCB benötigt vier Siege und wir mehr Verkehr vor Stepanek», rezitierte der Davoser Mauro Jörg ein paar Floskeln aus dem Playoff-Standardwerk. Ähnliche Parolen hatten die ZSC Lions vor ihrem unspektakulären Untergang auch verbreitet.
Arno Del Curto hingegen dürfte anders als der Ex-ZSC-Coach Marc Crawford nicht bei erster Gelegenheit in Aktionismus verfallen. Die Trainer-Ikone mit 20-jähriger Erfahrung in der «Crunch Time» und 27 Siegen in bislang 40 Playoff-Serien dürfte alle taktischen Winkelzüge ausreizen.
Die 0:2-Konstellation kommentierte er nicht, Prognosen, wie die weiteren Begegnungen verlaufen könnten, hält Del Curto für sinnlos. Er fordert von seiner Meister-Mannschaft nun Taten. Den ausgeprägten Hang zum Lamento gewisser Spieler goutiert der Chef-Stratege nicht: «Wir diskutieren zu viel.»