Aserbaidschan geht laut Amnesty International immer härter gegen Regimekritiker vor. In der Kaukasus-Republik gebe es keine unabhängige Zivilgesellschaft mehr, hält die Menschenrechtsorganisation in einem Bericht fest.
Kritische Stimmen seien «effektiv zum Schweigen gebracht worden». Wer sich nicht in Polizeigewahrsam befinde, sei aus dem Land geflohen oder schweige aus Angst vor Repressalien, hiess es in dem am Mittwoch veröffentlichten Bericht von Amnesty.
Die Menschenrechtsorganisation wollte ihren Bericht «Die Stimmen, die an den ersten Europaspielen nicht gehört werden» eigentlich am Donnerstag in Aserbaidschans Hauptstadt Baku vorstellen, einen Tag vor Eröffnung der dort stattfindenden zweiwöchigen Sportveranstaltung.
Die aserbaidschanische Regierung habe aber gefordert, dass Amnesty den Bericht nach den Europaspielen vorstellen solle. Es sei paradox, eine Medienkonferenz zu verbieten, in der es um die systematische Unterdrückung kritischer Stimmen gehe, reagierte Amnesty und veröffentlichte den Bericht bereits am Mittwoch.
Je näher die von den europäischen Olympischen Komitees erstmals veranstalteten Europaspiele rückten, desto härter sei Aserbaidschan gegen Regimekritiker vorgegangen. Medienleute, Menschenrechtsaktivisten und Oppositionelle seien bedroht, verhaftet, angegriffen und gefoltert worden.
Derzeit seien mindestens 20 «friedliche Gewissensgefangene» in Haft, weil sie ihr Recht auf Meinungsfreiheit wahrgenommen hätten. Einige Aktivisten seien in unfairen Gerichtsverfahren zu langjährigen Haftstrafen verurteilt worden.
Seit bald einem Jahr in Schweizer Botschaft
Auch der Regimekritiker Emin Huseynov gehöre dazu. Er flüchtete im August 2014 in die Schweizer Botschaft in Baku. Seit bald einem Jahr hält er sich dort auf. Laut Amnesty hätte Huseynov aufgrund konstruierter Vorwürfe von Steuerhinterziehungen verhaftet werden sollen. Er fand humanitären Schutz in der diplomatischen Vertretung der Schweiz.
Die Verfolgung Andersdenkender verstosse gegen die olympische Charta. Das Europäische Olympische Komitee habe es verpasst, sich für die Einhaltung der Menschenrechte im Austragungsland auszusprechen. Amnesty International appellierte an Aserbaidschans Führung, alle Gewissensgefangene freizulassen und das Recht auf Rede-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit zu garantieren.
Aserbaidschan hatte erst kürzlich die OSZE aufgefordert, bis Anfang Juli ihre Vertretung im Land zu schliessen und Aserbaidschan zu verlassen. Gründe für diesen Entscheid wurden keine genannt, wie die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in den vergangenen Tagen mitgeteilt hatte.
Aserbaidschan wurde seit 1993 von Präsident Gaidar Alijew mit harter Hand regiert. Seit dessen Tod 2003 ist sein Sohn Ilham Alijew im Amt.