Wikileaks-Gründer Julian Assange macht offenbar einen Rückzieher: Seiner kürzlichen Ankündigung, bei einer Freilassung von Wikileaks-Informantin Chelsea Manning seiner Auslieferung an die USA zuzustimmen, will er nun nicht Taten folgen lassen.
Nach der von US-Präsident Barack Obama angekündigten Begnadigung der US-Whistleblowerin Manning will Assange zunächst in der ecuadorianischen Botschaft in London bleiben. Es sei noch zu früh zu sagen, ob er sich nun wie angekündigt ausliefern lasse, sagte Assanges schwedischer Anwalt Per Samuelson am Mittwoch gegenüber der Nachrichtenagentur dpa.
«Er sieht das als grossen Teilerfolg, um nicht nur Manning, sondern auch Wikileaks und sich selbst zu rehabilitieren», sagte Samuelson über Assange. Er fügte hinzu: «So lange es die Bedrohung aus den USA gegen Assange gibt, wird er sein politisches Asyl ausüben.»
Assange war vor mehr als vier Jahren in die Botschaft Ecuadors in London geflüchtet, um einer Verhaftung zu entgehen. Gegen den Australier liegt ein europäischer Haftbefehl wegen eines Vergewaltigungsvorwurfs in Schweden vor. Er befürchtet, über Schweden an die USA ausgeliefert zu werden, wo ihm eine lange Haft wegen Geheimnisverrats drohen könnte.
Assange hatte vergangene Woche via Wikileaks angekündigt, im Fall einer Begnadigung von Manning einer Auslieferung in die USA zuzustimmen, dies trotz der «klaren Verfassungswidrigkeit» der gegen ihn erhobenen Vorwürfe.
Kein Zusammenhang
US-Präsident Obama hatte Mannings Haftstrafe am Dienstag von 35 auf sieben Jahre verkürzt. Sie soll nun im Mai freikommen. Sprecher des Weissen Hauses erklärten der «Washington Post» zufolge, Obamas Entscheidung, Manning zu begnadigen, habe nichts mit Assanges Ankündigung zu tun, sich an die USA ausliefern zu lassen.
Manning hatte – als sie noch als Mann lebte und Bradley Manning hiess – im US-Militär gedient und Wikileaks Hunderttausende geheime Dokumente des US-Militärs und des Aussenministeriums zugespielt. Sie gaben Einblick in brisante Botschaftsdepeschen und Fehlverhalten des US-Militärs, wodurch die Regierung schwer unter Druck geriet.
Dass Manning erst im Mai freikommt, ist nach einem Bericht der «New York Times» eine übliche Übergangszeit bei Begnadigungen. In dieser Zeit solle etwa ein Ort gefunden werden, an dem Manning nach ihrer Freilassung leben könne.
Snowden: «Danke, Obama»
Prominente Republikaner kritisierten die Entscheidung scharf. Kongress-Sprecher Paul Ryan nannte Obamas Beschluss ungeheuerlich und einen gefährlichen Präzedenzfall für andere Personen, die die nationale Sicherheit der USA gefährdeten.
Nichtregierungsorganisationen wie Amnesty International oder Reporter ohne Grenzen hingegen würdigten die Begnadigung Mannings am Mittwoch als «lange überfälligen Schritt». Gleichzeitig forderten sie auch ein Ende der Verfolgung für Whistleblower wie Edward Snowden.
Dieser begrüsste Mannings Begnadigung und schrieb auf Twitter: «Danke, Obama.» An die Whistleblowerin gerichtet fügte Snowden hinzu: «In fünf Monaten bist du frei. Danke für das, was du für alle getan hast, Chelsea. Bleib noch eine Weile stark!»
Weitere zwei Jahre in Russland
Snowden hatte selbst als Whistleblower die NSA-Abhöraktionen öffentlich gemacht und muss eine hohe Strafe in den USA befürchten, falls er aus seinem Asyl in Russland heimkehrt. Russland verlängerte nun Snowdens Aufenthaltserlaubnis um weitere zwei Jahre bis Sommer 2019, wie das Aussenministerium am Mittwoch bekanntgab.
Die US-Regierung war immer darauf bedacht gewesen, zwischen dem Fall Manning und dem Snowdens zu unterscheiden. Im Gegensatz zu der von einem Militärgericht verurteilten und geständigen Manning sei der frühere US-Geheimdienstmitarbeiter Snowden «in die Arme eines Gegners geflohen», sagte Obamas Sprecher Josh Earnest. Snowdens Taten seien «viel schwerwiegender und gefährlicher».