Das Referendum in Bulgarien über den Bau eines neuen Atomkraftwerks ist gemäss Prognosen an einer zu geringen Beteiligung gescheitert. Zwei Nachwahlbefragungen ergaben eine Beteiligung von nur knapp über 20 Prozent. Damit wurde die für ein bindendes Ergebnis vorgeschriebene 60-Prozent-Hürde klar verfehlt.
Von den Teilnehmern des Referendums hätten gemäss den Prognosen gut 60 Prozent für ein neues Atomkraftwerk in Belene an der Donau gestimmt und knapp 40 Prozent dagegen. Die Zahlen wurden am Sonntag nicht offiziell bestätigt. Liegt die Wahlbeteiligung am Ende bei über 20 Prozent, müsste das Parlament über den AKW-Bau entscheiden.
Trotz der niedrigen Wahlbeteiligung feierten die oppositionellen Sozialisten einen Etappensieg. Sie hatten das Referendum durchgesetzt und unterstützen das Belene-Projekt.
„Die Institutionen müssen wieder über das Thema entscheiden“, sagte Sozialisten-Chef Sergej Stanischew. Das Ergebnis sei eine persönliche Niederlage und ein Misstrauensvotum gegen Regierungschef Boiko Borissow. Im Vorfeld hatte Ex-Staatspräsident Georgi Parwanow Borissow zum Rücktritt aufgefordert, sollte die Mehrheit der Wähler bei dem Referendum mit Ja stimmen.
10 Milliarden Euro teuer
Die sozialistische Opposition hatte das Referendum initiiert, um die Regierung zu zwingen, die Pläne für ein zweites Kraftwerk in Kooperation mit Russland wieder aufzunehmen.
2008 hatten die damals regierenden Sozialisten den Vertrag mit dem russischen Nuklearkonzern Atomstrojexport unterzeichnet. Im vergangenen März zog die prowestliche Regierung von Ministerpräsident Borissow das Abkommen allerdings zurück. Die Kosten für den Reaktor in Belene wären mit mehr als 10 Milliarden Euro untragbar hoch für das ärmste EU-Land, hatte Borissow erklärt.
Insgesamt 6,9 Millionen Wähler waren aufgerufen, sich zu der Frage zu äussern, ob „Bulgarien die Atomenergie durch den Bau eines neuen Atomkraftwerks weiterentwickeln“ solle. Es ging also nicht um ein grundsätzliches Urteil für oder gegen die Atomenergie.
Niedrige Wahlbeteiligung
Bei eisiger Kälte und viel Neuschnee hatte sich das niedrige Wählerinteresse abgezeichnet. Um 13 Uhr lag die Beteiligung bei gut neun Prozent, wie die Zentrale Wahlkommission (ZIK) in Sofia mitteilte.
An einigen Orten gab es nach heftigen Schneestürmen keinen Strom. Dort wurden die Wahllokale nach Informationen des staatlichen Radios mit Gaslampen beleuchtet. Im verschneiten Südosten des Balkanlandes öffneten einige Wahllokale vier Stunden nach dem offiziellen Start. In einigen Orten blieben die Urnen stattdessen eine Stunde länger offen.
Die Sozialisten warfen der Regierung prompt vor, für die unpassierbaren Landstrassen verantwortlich zu sein. Dadurch solle die Beteiligung an dem Referendum, das die Sozialisten durchgesetzt hatten, erschwert werden.