Die Atomverhandlungen mit dem Iran kommen in ihre Schlussphase. Die Verhandlungsparteien stellten sich auf eine Nachtrunde bis Freitag ein. US-Aussenminister John Kerry warnte Teheran aber vor einem Spiel auf Zeit.
Die USA wollten ein Abkommen mit Teheran, und es seien beträchtliche Fortschritte gemacht worden, sagte er in Wien am frühen Donnerstagabend, fügte jedoch warnend an: «Wir können nicht ewig warten». Schwierige Entscheidungen müssten «sehr bald» gefällt werden. «Wenn nicht, dann sind wir absolut bereit, diesen Prozess zu beenden», machte er klar.
Die Verhandlungen laufen auf Hochdruck. Sollte bis Freitag eine Einigung gelingen, dann könnte die Übereinkunft fristgerecht dem US-Kongress vorgelegt werden. Die Abgeordneten hätten dann 30 Tage Zeit zur Überprüfung.
Sollte eine Einigung erst später kommen, verdoppelt sich dieser Zeitraum auf 60 Tage, da der Kongress in die Sommerpause geht. Das würde Gegnern eines Abkommens – besonders in den USA, im Iran und auch in Israel und den arabischen Golfstaaten – mehr Zeit geben, eine Übereinkunft zu torpedieren.
Wenn nötig noch länger
Washington werde sich aber nicht unter Druck setzen lassen, betonte Kerry. Die Qualität eines Abkommens sei wichtiger als irgendwelche Fristen. «Wir werden nicht hetzen, und wir werden uns nicht hetzen lassen», machte der US-Chefdiplomat deutlich.
Auch vom Weissen Haus hiess es am Donnerstagabend, es werde solange weiter verhandelt, wie alle Parteien um eine Lösung bemüht seien. Die Erwartungen Washingtons an das zu erzielende Schlussabkommen seien aber Teheran klar gemacht worden. Deshalb sei es unwahrscheinlich, dass sich die Verhandlungen noch über Wochen erstreckten, sagte US-Präsidentensprecher Josh Earnest.
Nun werde versucht, «die verbleibenden schwierigen Punkte zu lösen». Die Verhandlungen bewegten sich «in die richtige Richtung», sagte Frankreichs Aussenminister Laurent Fabius. Aufgrund dieser Umstände habe er beschlossen in Wien zu bleiben und bis Freitag früh an einer Lösung zu arbeiten.
Technisches und Politisches
Während die Diskussionen zu technischen Details eines Abkommens nach Angaben von Diplomaten gut vorankommen, hakt es immer noch bei mehreren politischen Fragen. «Wir beenden, so Gott es will, heute die technischen Themen», sagte der Chef der iranischen Atomenergiebehörde Ali Akbar Salehi, am Rande der Gespräche.
Neben einer Reihe bilateraler Verhandlungen trafen sich in Wien auch die Chefdiplomaten der 5+1-Gruppe (USA, China, Russland, Grossbritannien, Frankreich sowie Deutschland).
Mit dem Abkommen will der Westen verhindern, dass der Iran unter dem Deckmantel seines zivilen Atomprogramms Atombomben bauen kann. Der Iran will die schnelle Aufhebung aller Sanktionen. Der genaue Ablauf des Sanktionsabbaus gilt jedoch als einer der Knackpunkte, ebenso die Frage von Waffenembargos.
Aus Sicht von Russland wäre ein Abkommen unter bestimmten Voraussetzungen schnell erreichbar. Aussenminister Sergej Lawrow betonte, es gebe «keine unüberwindbaren Probleme mehr bei den Iran-Gesprächen.»
US-Präsident Barack Obama ist in regelmässigem Kontakt mit seiner Delegation in Wien. In einer Videoschaltung habe der Präsident die Fortschritte überprüft und Anleitungen für den Abschluss eines Abkommens gegeben, das die Anforderungen Washingtons erfülle. Dies teilte Kerry Sprecherin Monica Harf mit.