Wegen gravierender Differenzen steuern die Verhandlungen über Irans Atomprogramm erneut auf eine Verlängerung zu. Iranische Diplomaten sprachen sich für eine Fortsetzung der Gespräche um sechs Monate oder ein Jahr aus, sollte man sich bis zum Abend nicht einigen.
Am Sonntag wurde Russlands Aussenminister Sergej Lawrow in Wien erwartet, um zu versuchen, doch noch einen Durchbruch zu erreichen. Lawrow werde am Abend in Wien ankommen, meldete die russische Nachrichtenagentur Tass unter Berufung auf die russische Delegation. Auch seine Amtskollegen aus Frankreich und China sollten an der Runde in Wien teilnehmen.
US-Aussenminister John Kerry sprach von einer «ernsthaften Kluft» zwischen den Verhandlungspositionen. Er traf sich am Sonntag zum fünften Mal in wenigen Tagen mit Irans Aussenminister Mohammed Dschawad Sarif.
Beide Seiten betonen seit Beginn der aktuellen Verhandlungsrunde ihren Willen zur Einigung. Ebenso fordern beide aber von der jeweiligen Gegenseite Zugeständnisse, um einen Kompromiss zu erreichen.
«Rahmenvereinbarung» möglich
Am Montag läuft eine Frist ab, innerhalb derer der Iran und die Gruppe der fünf UNO-Vetomächte und Deutschlands ein dauerhaftes Abkommen zur Beilegung des jahrelangen Streits um das iranische Atomprogramm erzielen wollten. Schon am Samstag sagten aber europäische Diplomaten, die Ausarbeitung eines vollständigen Abkommens einschliesslich der zur Festschreibung der Einzelheiten notwendigen «technischen Anhänge» sei vor Ablauf der Frist «technisch unmöglich».
Iranische Diplomaten sagten in Wien, sollte bis Sonntagabend keine Einigung erzielt werden, könne die Frist für die Gespräche und die Gültigkeit eines Interimsabkommens «um die Dauer von sechs Monaten oder einem Jahr» verlängert werden. Das Übergangsabkommen sieht im Gegenzug für die Lockerung gewisser Sanktionen die Einfrierung des iranischen Atomprogramms und verschärfte internationale Kontrollen vor.
Von verschiedenen Seiten verlautete, statt eines vollständigen Abkommens könnte zunächst eine «Rahmenvereinbarung» beschlossen werden. Diplomaten schätzen, dass eine solche durchaus noch möglich ist.
Doch dafür seien noch wochen- oder gar monatelange Gespräche nötig, hiess es. Einige befürchten zudem, dass eine erneute Fristverlängerung die Verhandlungen zu einer nicht endenden Veranstaltung werden liesse.
Dauerhaftes Abkommen als Ziel
Bei den Gesprächen in Wien soll ein dauerhaftes Abkommen erzielt werden, in dem sich der Iran zur Aufgabe von Teilen seines Atomprogramms bekennt und tägliche Kontrollen zulässt. Im Gegenzug verspricht der Westen die Lockerung von Wirtschaftssanktionen.
Die Sechsergruppe will erreichen, dass der Iran alles unterlässt, was zum Bau von Atomwaffen führen könnte. Die Regierung in Teheran weist den Vorwurf zurück, sie strebe nach Atomwaffen, und erklärt stets, ihr Atomprogramm diene nur der Energiegewinnung.
Vor einem Jahr hatten die Verhandlungspartner in Genf eine Übergangslösung erzielt, wonach der Iran Teile seines Atomprogrammes aufgeben und tägliche Kontrollen ermöglichen soll. Im Gegenzug versprach der Westen die Lockerung von Sanktionen.
Ein dauerhaftes Abkommen sollte bis zum 20. Juli stehen. Als das nicht gelang, wurde die Frist auf den 24. November verlängert.