Die Gespräche zum iranischen Atomprogramm in Genf von Anfang Jahr könnten abgehört worden sein. Die Bundesanwaltschaft ermittelt wegen Verdachts auf verbotenen politischen Nachrichtendienst. Beamte durchsuchten ein Haus in Genf und beschlagnahmten Computermaterial.
André Marty, der Sprecher der Bundesanwaltschaft, bestätigte am Donnerstag auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda einen Bericht von Radio SRF. Der Bundesrat habe die Bundesanwaltschaft am 6. Mai zur Verfahrenseröffnung ermächtigt. Auslöser sei ein Amtsbericht des Nachrichtendienstes des Bundes (NDB) gewesen.
An den Atomverhandlungen im Frühjahr 2015 in Genf hatten neben dem Iran die UNO-Vetomächte USA, Russland, China, Grossbritannien, Frankreich sowie Deutschland teilgenommen. Dabei sollte aus Sicht des Westens sichergestellt werden, dass der Iran keine Atomwaffen erlangen kann. Teheran fordert Sanktionsaufhebungen.
Am 12. Mai habe eine Hausdurchsuchung stattgefunden, in deren Rahmen IT-Material beschlagnahmt worden sei, sagte Marty. «Ziel dieser Hausdurchsuchung war es, einerseits Informationen sicherzustellen und anderseits festzustellen, ob durch Schadsoftware IT-Systeme infiziert worden sind.»
Wer hinter der mutmasslichen Cyberspionage steckt, ist nicht bekannt. «Das Verfahren wird gegen unbekannte Täterschaft geführt», sagte Marty. Weitere Informationen zu diesem laufenden Verfahren könnten zum jetzigen Zeitpunkt nicht gegeben werden.
Virus bei Anti-Viren-Firma
Das Strafverfahren könnte mit einer Sicherheitslücke der russischen Antiviren-Firma Kaspersky zusammenhängen. Das Unternehmen hatte am Mittwoch bekanntgegeben, einen Virus im eigenen Netz entdeckt zu haben. Unbekannte Hacker hätten die Firma über Monate ausgespäht.
Der von Kaspersky entdeckte Computerwurm war nach eigenen Angaben entwickelt worden, um das iranische Atomprogramm zu sabotieren. Schadsoftware sei auch an Verhandlungsorten bei den Atomgesprächen mit dem Iran entdeckt worden, sagte Kaspersky.
Auch die Staatsanwaltschaft in Österreich teilte am Donnerstag mit, in dem Fall werde ermittelt. Ein Sprecher des Innenministeriums in Wien sagte, es liefen Ermittlungen insbesondere zu dem Wiener Luxushotel Palais Coburg, in dem mehrere Runden der Atomverhandlungen stattgefunden hatten.
Offenbar können mit Hilfe des Spionagevirus beispielsweise alle Computer in einem Hotel und auch die Telefone, die Lifte und die Alarmanlagen verwanzt werden. Kunden und Partner seien nach bisherigen Erkenntnissen aber nicht betroffen.
Kaspersky-Konkurrent Symantec hatte am Mittwoch berichtet, das Schadprogramm sei zudem bei einem europäischen Telekomunternehmen, einem Elektronikhersteller aus Südostasien sowie auf Computern in den USA, Grossbritannien, Schweden und Hongkong entdeckt worden.
Israel weist Anschuldigungen zurück
Das Wall Street Journal hatte am Mittwoch berichtet, dass Israel hinter der Spionageattacke stehe. Israel wies eine Verwicklung in den Cyberangriff umgehend zurück. «Die ausländischen Berichte über eine israelische Beteiligung entbehren jeder Grundlage», sagte Vize-Aussenministerin Zipi Hotoveli am Donnerstag im Armeeradio.
Im Februar hatten die USA Israel vorgeworfen, mit gezielten Indiskretionen das US-Vorgehen bei den Verhandlungen erschwert zu haben. Israel hatte die diplomatische Öffnung gegenüber dem Iran scharf kritisiert und bezweifelt, dass ein Atomvertrag mit dem Land die Entwicklung von Atomwaffen.