Hunderte feiern in einem Istanbuler Club friedlich ins Neue Jahr. Doch 2017 ist noch keine zwei Stunden alt, da dringt ein Bewaffneter in den Club ein und schiesst um sich. 39 Menschen sterben. Auch Stunden nach dem Angriff ist der Täter noch flüchtig.
Mindestens ein bewaffneter Angreifer drang kurz nach Anbruch des neuen Jahres in den bekannten Club Reina am Bosporusufer ein, erschoss am Eingang einen Polizisten und Zivilisten und richtete dann ein Blutbad unter den Feiernden an. 39 Menschen starben, 65 Menschen wurden nach Regierungsangaben verletzt. Unter den Opfern waren zahlreiche Ausländer.
Fahndung unter Hochdruck
Vom Angreifer oder den Angreifern fehlte nach der Tat jede Spur. Zunächst bekannte sich niemand zu der Bluttat. «Das ist ein Terrorangriff», sagte Istanbuls Gouverneur Vasip Sahin.
Ministerpräsident Binali Yildirim sagte, die Behörden arbeiteten mit Hochdruck daran, die Identität des Täters festzustellen. Er dementierte Medienberichte, wonach der Angreifer ein Weihnachtsmannkostüm getragen habe. Es könne sein, dass der Angreifer seine Waffe im Club gelassen und sich im Tumult unter die Flüchtenden gemischt habe.
Innenminister Süleyman Soylu sagte, Ermittlungen der Sicherheitskräfte deuteten darauf hin, dass es sich nur um einen Schützen gehandelt habe.
Die Nachrichtenagentur DHA hatte zuvor gemeldet, zwei als Weihnachtsmänner verkleidete Terroristen seien in den Club eingedrungen und hätten das Feuer mit automatischen Waffen eröffnet. Auch eine Augenzeugin sprach von zwei Angreifern.
DHA berichtete weiter, zum Zeitpunkt des Angriffs seien 700 bis 800 Menschen im Club gewesen. Einige seien in den Bosporus gesprungen, um dem Angriff zu entkommen, berichteten Augenzeugen. Sie seien von Polizisten gerettet worden.
20 Tote identifiziert
Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan kündigte an, weiter entschlossen gegen den Terrorismus zu kämpfen. Die Türkei werde alles tun, um «die Sicherheit und den Frieden ihrer Bürger zu gewährleisten». Ziel der Terroristen sei es, «Chaos» zu stiften.
Innenminister Soylu sagte, 20 der 39 Toten seien identifiziert worden. Bei ihnen handle es sich um 15 Ausländer und 5 Türken. Medienberichten und Angaben der jeweiligen Regierungen zufolge sind unter den Opfern Menschen aus Saudi-Arabien, Marokko, dem Libanon, Libyen, Tunesien, Frankreich, Israel und Indien.
Schweizerinnen oder Schweizer sind nach bisherigen Erkenntnissen der lokalen Behörden nicht unter den Opfern, wie das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten mitteilte.
International verurteilt
International wurde das Attentat scharf verurteilt. Die US-Regierung sprach von einer Gräueltat ausgerechnet an Silvester, was die Brutalität der Angreifer nur noch unterstreiche. Bundeskanzlerin Angela Merkel bezeichnete in einem Beileidsschreiben an Erdogan das Attentat als «menschenverachtenden und hinterhältigen Anschlag».
Aussenminister Didier Burkhalter drückte nach dem Angriff seinem türkischen Amtskollegen Mevlüt Cavusoglu seine Betroffenheit aus, wie ein Sprecher mitteilte.
Zum Schutz vor Anschlägen waren in der Silvesternacht türkischen Medienberichten zufolge 17’000 Polizisten in Istanbul im Einsatz. Der Chef des angegriffenen Clubs Reina sieht keinen Mangel an Sicherheitsvorkehrungen.
Die türkische Polizei habe schon seit etwa zwei Wochen ihre Präsenz in Ortaköy, wo der angesagte Club liegt, und den umliegenden Vierteln verstärkt, teilte Mehmet Kocarslan mit. Auch auf dem Bosporus habe die Küstenwache alle nötigen Vorkehrungen getroffen.
Reihe von Anschlägen
Schon 2016 hatte die Türkei eine ganze Reihe verheerender Anschläge verkraften müssen. Erst vor drei Wochen waren bei einem Doppelanschlag in Istanbul 45 Menschen getötet worden, die meisten davon Polizisten. Dazu hatte sich die TAK bekannt, eine Splittergruppe der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK. Die TAK und die PKK greifen vorrangig Sicherheitskräfte an.
Der Zeitung «Hürriyet» zufolge waren am Silvestertag acht Kämpfer der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Ankara festgenommen worden, die einen Anschlag in der Nacht geplant haben sollen.
Türkische Truppen sind derzeit in Nordsyrien in heftige Gefechte mit dem IS verwickelt. Nach dem türkischen Einmarsch im August hatte IS-Anführer Abu Bakr al-Bagdadi im November zu Anschlägen in der Türkei aufgerufen.