Die Gegner der Energiestrategie betrachten die Speicherung erneuerbarer Energien als ungelöstes Problem. «Flatterstrom» heisst das Schlagwort. Forscher dagegen sehen weniger eine technische als eine wirtschaftliche Herausforderung.
Technisch ist vieles möglich, auch Spektakuläres: Elektrische Energie aus Wind- und Solarkraftwerken könnte in der Schweiz künftig in Druckluft verwandelt und tief im Fels gespeichert werden, zum Beispiel in ausrangierten Tunneln und Militärkavernen.
Das Prinzip ist einfach: Mit überschüssigem Strom werden Kompressoren angetrieben, welche die Aussenluft verdichten. Bei Bedarf kann die Druckluft mit einer Turbine über einen Generator wieder in Strom verwandelt werden. Solche Druckluftspeicherkraftwerke gibt es bereits, doch war bisher der Wirkungsgrad gering, weil die Luft vor der Rückverwandlung in Strom durch das Verbrennen von fossilen Energieträgern wieder erhitzt werden musste.
Steine als Wärmespeicher
Versuche in einem ehemaligen Neat-Stollen haben nun gezeigt, dass der Wirkungsgrad stark erhöht werden kann, wenn in der Kaverne ein Wärmespeicher verwendet wird. Als solcher diente eine mit Steinen gefüllte Betonwanne. Die Pilotanlage wurde von der Firma Alacaes erbaut und betrieben, mit Unterstützung des Bundesamtes für Energie und des Schweizerischen Nationalfonds.
Nutzbringende Druckluftspeicher-Kraftwerke sind definitiv machbar. Die Frage ist, zu welchem Preis.
Die Versuche seien Ende letzten Jahres erfolgreich abgeschlossen worden, sagt Andreas Haselbacher, Forscher an der Professur für Erneuerbare Energieträger der ETH Zürich. Die technische Machbarkeit ist also erwiesen. In einer zweiten Phase geht es nun um die Frage, ob solche adiabatischen Druckluftspeicherkraftwerke in Zukunft wirtschaftlich betrieben werden könnten.
Sollten die Druckluftspeicherkraftwerke dem saisonalen Ausgleich dienen – also der Stromversorgung im Winter – wären sehr grosse und teure Kavernen nötig. Geeigneter sind solche Speicherkraftwerke daher wohl für den Ausgleich im Stundenbereich. Die Wirtschaftlichkeit hängt auch vom Standort ab. Interessant wäre laut Haselbacher etwa das Grimselgebiet, da dieses bereits am Stromnetz angeschlossen ist. Zudem seien dort die Felseigenschaften bekannt.
In den weiteren Verlauf der Forschung sind die Netzgesellschaft Swissgrid sowie die Firmen Alacaes, Amberg Engineering und BKW involviert. Erweisen sich Druckluftspeicher als wirtschaftlich, könnten sie in der näheren Zukunft kommerziell betrieben werden und als grössere Speicher die Pumpspeicherkraftwerke ergänzen. Der Vorteil bestehe darin, dass keine Landschaften überflutet werden müssten, gibt Haselbacher zu bedenken. Fest stehe, dass es eine breite Palette an Energiespeichern brauchen werde.
Batterien immer billiger
Auch andere Speichertechnologien entwickeln sich rasant. Der Anteil der Batterien an den Speichersystemen habe sich weltweit in den letzten fünf Jahren mehr als verdoppelt, sagt Frank Krysiak, Professor an der Universität Basel und wissenschaftlicher Sprecher des Forums Energiespeicher Schweiz.
Zwar sind Batteriespeicher in Haushalten und Quartieren heute noch nicht rentabel. Krysiak geht aber davon aus, dass sich das in den nächsten zehn Jahren ändern wird. Die Preise sinken so rasch, dass sich teilweise ein Deflationsseffekt einstellt: In Erwartung weiter sinkender Preise warten Haushalte mit dem Kauf ab.
Neben Lithium-Ionen-Batterien gibt es neue Technologien wie die «Salzbatterie» aus Natrium-Nickelchlorid oder Power-to-Gas und Power-to-Liquid. Bei diesem Verfahren wird aus Wasser, CO2 und elektrischer Energie Methanol erzeugt. So könnte auch ein Gaskombikraftwerk CO2-neutral betrieben werden, sagt Gianni Operto, Präsident der Dachorganisation der Wirtschaft für erneuerbare Energien und Energieeffizienz AEE suisse.
Dass der Wirkungsgrad mancher Verfahren eher gering ist, spielt aus seiner Sicht eine untergeordnete Rolle. Worauf es ankomme, sei die Wertigkeit im Moment der Nutzung. Eine Anlage könne auch als blosse «Versicherung» für den Ausfall anderer Anlagen dienen. Die Hauptaufgabe bestehe darin, neue Geschäftsmodelle für die Speichertechnik zu entwickeln, sagt Operto. Dabei gelte es, die von der Vergangenheit geprägte Betrachtungsweise zu verlassen. Die Zukunft sei dezentral.
Für den saisonalen Ausgleich bleiben Importe weiterhin die wirtschaftlich sinnvollere Variante, sagt Frank Krysiak von der Uni Basel.
Dezentrale Speicher entlasten die Verteilnetze und haben gegenüber zentralen Speichern den Vorteil, dass Transformations- und Netzverluste stark vermindert werden können. Grössere, zentrale Speicher wie Pumpspeicherwerke haben ihrerseits Vorteile für den Ausgleich über Tage hinweg, um Zeiten mit Bewölkung oder wenig Wind zu überbrücken.
So seien sie auch wirtschaftlich sinnvoll einsetzbar, sagt Krysiak. Dagegen sei der saisonale Ausgleich nur bedingt wirtschaftlich sinnvoll. Es scheine vielversprechender, diesen Ausgleich wie schon heute zu grossen Teilen durch Importe im Winter vorzunehmen. Im Gegenzug könnte überschüssige Energie aus Photovoltaik im Sommer in Wärme, Gas oder Treibstoffe umgewandelt werden, so dass weniger Brenn- und Treibstoffe importiert werden müssten.
Investitionen unrentabel
Entscheidend ist für Krysiak grundsätzlich, ob die Akteure in die wünschenswerte Menge und Art von Speichern investieren und ob diese Speicher sinnvoll eingesetzt werden. Automatisch ergibt sich das nicht. So lohnen sich Investitionen in Pumpspeicherkraftwerke in den nächsten Jahren kaum, da die Preisschwankungen nur noch gering und die Erträge stark gesunken sind.
Haushalte wiederum haben noch keine Anreize, Speicher so einzusetzen, dass die Nutzung dem Gesamtsystem dient. Wenn beispielsweise die Zahl der Elektroautos zunimmt und viele Autos abends zur gleichen Zeit geladen werden, könnte dies das Netz stark belasten. Daher müssten die Investitionen in Speicher und deren Nutzung koordiniert werden, sagt Krysiak. Denkbar wäre, dass die Stromversorger oder Intermediäre die Speicher zur Verfügung stellen.
Verbrauch steuern
Wie viele und welche Speicher es braucht, hängt auch davon ab, wie stark der Verbrauch an die Produktion angepasst wird – entweder über ein zeitweises Abschalten geeigneter Endgeräte oder über zeitlich differenzierte Stromtarife. Die Steuerung des Verbrauchs sei die billigste Option, stellt Operto fest. Die Waschmaschine würde dann beispielsweise so programmiert, dass sie um fünf Uhr morgens startet.
Je stärker der Verbrauch an die Produktion angepasst wird, desto geringer wird der Speicherbedarf und damit die Herausforderung zur Integration eines zunehmenden Anteils erneuerbarer Energien sein. Wenn die Politik geeignete Rahmenbedingungen schaffe, könne diese Herausforderung durchaus bewältigt werden, sagt Krysiak.