Nach dem Gerichtsurteil in den USA um fehlerhafte Hüftimplantate von Johnson & Johnson erhalten die Kläger hohe Entschädigungen. In der Schweiz haben Patienten aber kaum Chancen auf Schadenersatz.
Vergangenen Freitag fällte das Bundesgericht von Texas ein vielbeachtetes Urteil. Die Richter sahen es als erwiesen an, dass der Pharmakonzern Johnson & Johnson (J&J) vom fehlerhaften Hüftimplantat «Pinnacle» wusste, aber weder Ärzte noch Patienten ausreichend über die Risiken informierte.
Dem Konzern und seiner Orthopädie-Tochter DePuy Synthes, in der 2012 das Schweizer Medizintechnikunternehmen Synthes aufgegangen war, wurde eine Strafe von einer Milliarden Dollar aufgebrummt. J&J kündigte an, gegen das Urteil in Berufung gehen.
Insgesamt ist der Pharmamulti in diesem Prozess mit mehr als 8000 Klagen konfrontiert. Die Kläger, denen die Milliardensumme zugesprochen wurde, waren Patienten aus Kalifornien, bei denen es nach dem Einsatz der Teile zum Absterben von Gewebe, zu Knochenerosion und zu weiteren Schädigungen gekommen war.
Auch Schweizer betroffen
Beim Schweizer Heilmittelinstitut Swissmedic gingen bis 2014 ebenfalls Beschwerden wegen des Hüftimplantats «Pinnacle» ein, wie eine Swissmedic-Sprecherin auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda sagte. Die Zahl dieser Meldungen konnte sie zunächst aber nicht nennen.
Auch bei Stephan Kinzl, Fachanwalt SAV Haftpflicht- und Versicherungsrecht, sind mehrere Anfragen von Schweizer Patienten im Zusammenhang mit dem Hüftsystem eingegangen. Der Fürsprecher betreut Patienten, die vom defekten Vorgängermodell ASR betroffen sind, das J&J im Jahre 2010 weltweit vom Markt genommen hatte.
Allerdings dürften die Beschwerden beim Modell Pinnacle – anders als beim Vorgängermodell ASR – nicht durch einen Konstruktionsfehler, sondern durch ein problematisches Metall-Zwischenstück ausgelöst worden sein, vermutet der Fachanwalt.
Dieses Zwischenstück mit dem Namen «Ultamet» war auch in der Schweiz vertrieben worden, wie eine Sprecherin von J&J auf Anfrage bestätigte. Die Produktion hatte der Konzern aber bereits 2013 gestoppt und durch andere Materialien ersetzt, beispielsweise Polyaethylen oder Keramik.
Beweismittel gefragt
Anders als im Fall des Vorgängermodells konnte Kinzl den Betroffenen von «Pinnacle» wegen der damaligen Beweislage jedoch nicht helfen. Das Rechtssystem in den Vereinigten Staaten ist mit dem Schweizer System nicht zu vergleichen.
Unter anderem müssen die Kläger in der Schweiz nachweisen, dass J&J über die Fehlerhaftigkeit des betreffenden Hüftsystems zum Zeitpunkt des Vertriebs der Hüftimplantate Bescheid wusste. Dafür müsse man an die entsprechenden Beweismittel gelangen, gibt Kinzl zu bedenken. In der Regel seien dies firmeninterne Dokumente wie Emails. Ob der jetzige Gerichtsentscheid aus Texas den Betroffenen aus der Schweiz helfe, sei daher eher fraglich.