Auch Schweizer Gefängniszellen bei Neonazi-Razzien durchsucht

Wegen des Verdachts der Gründung eines rechtsextremen «Werwolf-Kommandos» werden seit Mittwochmorgen Wohnungen und Geschäftsräume von sechs Beschuldigten in der Schweiz, in Norddeutschland und in den Niederlanden durchsucht.

Links im Bild einer der beschuldigten Schweizer (Bild: sda)

Wegen des Verdachts der Gründung eines rechtsextremen «Werwolf-Kommandos» werden seit Mittwochmorgen Wohnungen und Geschäftsräume von sechs Beschuldigten in der Schweiz, in Norddeutschland und in den Niederlanden durchsucht.

Zudem gebe es Razzien in Gefängniszellen von zwei Beschuldigten in der Schweiz, teilte die deutsche Bundesanwaltschaft in Karlsruhe, Baden-Württemberg, mit. In Deutschland waren an dem Einsatz rund 50 Polizeibeamte beteiligt.

Den Durchsuchungen waren offenbar längere – auch verdeckte – Ermittlungen vorausgegangen. Sie gestalteten sich schwierig, weil die Verdächtigen bereits ein elektronisches Verschlüsselungsprogramm entwickelt hatten, «um konspirativ kommunizieren zu können», so die Bundesanwaltschaft.

Festgenommen wurde nach Angaben der obersten deutschen Anklagebehörde niemand. Hingegen berichtete die niederländische Polizei von einer Festnahme im Zuge der Razzia in der Nähe von Den Haag.

Beschuldigter soll auf Mann geschossen haben

Laut «Spiegel Online» soll es sich bei einem der Beschuldigten um jenen Mann handeln, der im Mai 2012 im Zürcher Niederdorf auf einen 26-jährigen Schweizer geschossen hat. Nach der Tat war der 25-Jährige nach Hamburg geflüchtet, wo er verhaftet und dann an die Schweiz ausgeliefert wurde. Zurzeit befindet er sich in Untersuchungshaft.

Das laufende Verfahren gegen den Beschuldigten sei weit fortgeschritten, sagte die zuständige Zürcher Staatsanwältin Claudia Casper auf Anfrage. Sie bestätigte damit einen Bericht von Tagesanzeiger.ch/Newsnet.

Der Fall wird laut Casper voraussichtlich in einigen Wochen abgeschlossen sein. Die Anklage lautet auf versuchte vorsätzliche Tötung. Der Mann hat demnach gestanden, die fraglichen Schüsse abgegeben zu haben. Zum Motiv wollte sich Casper nicht äussern.

In der rechtsextremen Szene bekannt

Der Verdächtige ist in der rechtsextremen Szene einschlägig bekannt. Die Bundesanwaltschaft deutete an, dass es sich bei der Flucht ausgerechnet nach Hamburg nicht um einen Zufall gehandelt haben könnte.

Vor seiner Flucht befand sich der Mann auf freiem Fuss, obwohl er im Januar 2012 vom Solothurner Obergericht wegen 44 Delikten zu 39 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt worden war. Ihm wurden etwa Rassendiskriminierung, Drohung, Gewalt gegen Beamte, Tätlichkeit und Raufhandel nachgewiesen.

Schweizer Rechtsextreme als Führungsfiguren

Gemäss einem Bericht von «Spiegel Online» gelten der Behörde die bereits inhaftierten beiden Schweizer Rechtsextremisten als Führungsfiguren. Sie sollen die Initiative zum Aufbau des Netzwerkes ergriffen haben.

Die Hauptbeschuldigten werden demnach vor allem durch Zeugenaussagen belastet. Die deutsche Bundesanwaltschaft wollte den Bericht nicht bestätigen oder kommentieren.

«Politisches System beseitigen»

Ziel der rechtsextremistischen Vereinigung soll es gewesen sein, das «politische System der Bundesrepublik Deutschland zu beseitigen», so die Bundesanwaltschaft. Es bestehe der Verdacht, dass die Beschuldigten zu diesem Zweck terroristische Gewalttaten verüben wollten.

Konkrete Anschlagspläne gab es nach Wissen der Behörde aber nicht. Bei den Razzien wurden schriftliche Unterlagen und Computer sichergestellt, die jetzt ausgewertet werden sollen.

Razzien in der Deutschschweiz

Die Durchsuchungen in den Niederlanden und der Schweiz werden im Wege der Rechtshilfe von den dortigen Behörden vorgenommen.

Das Bundesamt für Justiz bestätigte am Mittwoch auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda, dass die Staatsanwaltschaft Zürich Hausdurchsuchungen und Einvernahmen anordnen und durchführen liess.

In welchen Kantonen die Razzien durchgeführt wurden, wollte die Staatsanwaltschaft Zürich auf Anfrage nicht sagen. Klar ist, dass sie in der Deutschschweiz stattgefunden haben.

Von Himmler ins Leben gerufen

Die historische Organisation «Werwolf» war im Herbst 1944 von SS-Führer Heinrich Himmler ins Leben gerufen worden. «Entschlossene Männer und Frauen» sollten hinter den Linien des Feindes einen Guerillakrieg führen.

Zahlreiche Morde an «Volksverrätern» gingen auf das Konto der «Werwölfe» und ähnlicher Organisationen. Auch eine unbekannte Zahl alliierter Soldaten starb durch ihre Hand. Wie viele Aktionen es insgesamt waren, liegt allerdings ebenso im Dunkeln wie die Zahl der damaligen «Werwolf»-Mitglieder.

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