Auf dass uns die Haare zu Berge stehen!

Heute Abend spielen Mötley Crüe und Slash in der St. Jakobshalle. Als ob das nicht genug wäre, machen nächste Woche auch noch Guns’n’Roses ihre Aufwartung in Basel. Prima Gelegenheit, uns noch einmal mit den Jugendtraumata zu konfrontieren: den Frisuren und Rocker-Posen der 1980er-Jahre, jener Dekade, als 3-Wetter-Taft dank kalifornischen Musikern einen Milliarden-Umsatz machte. Welcome To […]

Steel Panther. Eine von Millionen Hair Metal Bands.

Heute Abend spielen Mötley Crüe und Slash in der St. Jakobshalle. Als ob das nicht genug wäre, machen nächste Woche auch noch Guns’n’Roses ihre Aufwartung in Basel. Prima Gelegenheit, uns noch einmal mit den Jugendtraumata zu konfrontieren: den Frisuren und Rocker-Posen der 1980er-Jahre, jener Dekade, als 3-Wetter-Taft dank kalifornischen Musikern einen Milliarden-Umsatz machte. Welcome To The Jungle!

Wie hat Basel das verdient? Nicht genug damit, dass kürzlich Pamela Anderson hier auftauchte. Heute Abend ist auch ihr Ex-Prügel in der Stadt: Tommy Lee will mit seinen alten Kämpen von Mötley Crüe in der St. Jakobshalle noch einmal für Wirbel sorgen. Und das nachdem Slash, der lockigste Mann seit es Gesichtsabdeckungen gibt, die Metalfans warmgezupft hat. Und als ob das alles nicht genug wäre, machen nächste Woche auch noch Guns N’Roses ihre Aufwartung

Zwei Bands, die in den 80er-Jahren Weltruhm erlangten und zu den erfolgreichsten Vertretern des Hair Metal avancierten, jener amerikanischen Ausprägung, die vom britischen Glamrock der 70er inspiriert war.

Viele Bands und ihre Frisuren sind zurecht in Vergessenheit geraten, denn seien wir ehrlich: Es war grausam lächerlich, was uns da via MTV in die Wohnstuben geschleudert wurde. Dennoch ist es nicht falsch, mit Bands wie Poison, Cinderella oder Ratt sozialisiert worden zu sein. Es ist einfach dumm gelaufen. Dazu darf man ruhig stehen. 

Zur Aufarbeitung von Traumata gehört auch die Konfrontation mit den Schockerlebnissen. Der Anblick von ausgewachsenen Männern in hautengen Spandexhosen und mit platinblonden, auftoupierten Mähnen (die Tina Turner in den Schatten stellten) ist nichts für schwache Nerven. Aber da müssen wir jetzt durch. Auf dass uns die Haare zu Berge stehen. Denn wie sagte Phil Lewis von den L.A. Guns doch 1987? «I came here from London with 200 bucks and a hairdryer.» 

Das hat er wunderföhn formuliert, nicht wahr?

1. Mötley Crüe: Girls, Girls, Girls

Stripclubs, Rauschmittel und Rockmusik: Aus diesen Stoffen gestaltete das Quartett namens Mötley Crüe einen Lebensinhalt und eine Legende, von der es bis heute zehrt. Seien wir ehrlich: Die Musik ist dabei nebensächlich. Zuletzt liessen Nikki Sixx, Tommy Lee und Co. aufhorchen, als sie ihre Bandbiografie «The Dirt» veröffentlichten. Und das ist auch schon wieder Jahre her. Und dann gab es da doch noch dieses private Ferienfilmchen, das Pamela Anderson auf dem Loveboat mit Drummer Tommy Lee zeigte. Weil das aber ab 18 ist, beschränken wir uns auf einen verhältnismässig jugendfreien Videoclip. Hüstelhüstel.

2. Guns N’Roses: «Welcome To The Jungle»

Sie sind zurück. Also Axl ist zurück. Der Rest hat schon lange keine Lust mehr, mit dem launischen Schreihals zusammenzuarbeiten (abgesehen vom Keyboarder, den aber keine Sau kennt, weil Keyboarder in einer Metal-Band). Dennoch waren wir nah dran, uns Tickets zu kaufen für Guns N’Roses. Aus rein nostalgischen Gründen: Haben wir ihnen doch vor knapp 20 Jahren zugejubelt, im alten Joggeli-Stadion. Da waren sie gerade die grösste Band der Welt. Und zwar so gross, dass manche Fans heute noch davon schwärmen, wie sie in der Basler Disco Route 66 Slash und Co. bei der After-Show-Party erblickt haben. Manche Bekannte weigerten sich gar noch Wochen später, ihre Zähne zu putzen. Und das nur weil Axl Rose unmittelbar vor ihnen in den Promille-Tester geblasen hatte.

3. Poison: «Unskinny Bop»

Noch öfter als in den Giftschrank griffen Poison in den Kosmetikschrank. Wie Mötley Crüe verkehrten auch sie mit Playmates und Baybabes (aka Pam Anderson). Und machten nebenbei Rocksongs, in denen sie wild taten, aber im Kern unwesentlich weniger poppig waren als Modern Talking. Aber sagen Sie das keinem Poison-Fan – das könnte das Gesprächsklima vergiften!

4. Ratt: «Round And Round»

Sie können mir glauben, werte Damen: Ich habe krampfhaft versucht, einen Clip aus dem Fundus der kalifornischen Hair-Metal-Szene zu finden, der ganz ohne sexistische Noten auskommt. Und bin bei Ratt gelandet, die immerhin so emanzipiert waren, dass sie ihr Model erst am Ende des Clips unterwürfig die Treppenstufen hochkriechen liessen. Sehr gelungen finde ich bei dieser Band die Headbang-Choreo (präzis im Viervierteltakt, dazu schwingen sie ihre Gitarren hin und her, stark!). Beeindruckend auch die vielen Trommeln des Schlagzeugers, der coolerweise aber darauf verzichtet, den Grossteil seines Arsenals zu benutzen.

5. D’Molls: «777»

D’Molls, eine Band aus Chicago, zog es Mitte der 80er-Jahre wie so viele nach Los Angeles. Denn im gleissenden Licht des Sunset Boulevard kamen nicht nur ihre hochtoupierten Haare besonders gut zur Geltung, nein, hier lechzte die Plattenindustrie auch nach weiteren Bands, mit denen man von der Westküste aus die Rockwelt überschwemmen konnte. Nebst auffälligen Frisuren und stadiontauglichen Mitsingchören bedurfte es dafür auch glamrockiger Künstlernamen: Obschon D’Molls alias Desi Rexx, S.S. Priest, Lizzy Valentine und Billy Dior sich solche angeeignet hatten, war ihre grosse Zeit von kurzer Dauer. Wenn wir uns den Clip ihres einzigen, kleinen Hits «777» (666 war schon vergeben, fragen Sie Iron Maiden!) anschauen, fragen wir uns, warum die eigentlich nie so gross wurden wie Bon Jovi oder Sigfried und Roy. Jänu.

6. Twisted Sister: «We’re Not Gonna Take It»

Natürlich gab es nicht nur unfreiwillig komische Clips. Sondern auch Musiker, die ganz bewusst mit dem trashigen Humor spielten. Gerne erinnern wir an die Parodisten von Spinal Tap oder Bad News (die eine herrliche erschütternde Version von «Bohemian Rhapsody» aufnahmen). Da war aber auch einer, der seine Musik ziemlich ernst nahm, auch wenn er sehr gut über sich selber lachen konnte: Dee Snider von Twisted Sister, der mit seinem Look und seiner Musik an die britischen Glamrocker von Slade erinnerte. Slade lieferten überhaupt vielen Hair-Metal-Bands die Blaupause, mit ihrem Sinn für schlechte Frisuren und grossen Melodien. Auch Twisted Sister verstanden es, mit ihrer Musik tausenden Teenagernden einen aufmüpfigen Soundtrack zur gepflegten Rebellion im Elternhaus zu servieren, wie dieser Clip hier unterstreicht.

 

7. The Darkness: «I Believe In A Thing Called Love»

Wenn es nach den 80er-Jahren eine denkwürdige Reinkarnation des Hair Metal gab, dann diese hier: The Darkness. Sie haben den Glamrock von Kalifornien wieder nach Britannien zurückgeführt. Augenzwinkernd, klar, aber zugleich voller musikalischer Ernsthaftigkeit kopierten sie die Manierismen von David Lee Roth und Konsorten – und gaben uns im neuen Jahrtausend kurz das Gefühl, dass schon nicht alles für die Füchse war, damals, als Jeansjacken mit Logos verziert wurden und Männer auf ihren eigenen Dauerwellen surften. Heute wissen wir, dass der grösste Eindruck, den der verklebte Hair Metal hinterlassen hat, in der Atmosphäre zu suchen ist: im Ozonloch.

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