Während sie in Häfelfingen Zwetschgen um die Wette rüsten, wird in Läufelfingen nach alter Väter Sitte Käse gemacht. Derweil flaniert es sich in Liestal über den Genussmarkt, und in Waldenburg brennt sich einem ein Meteoritensturm ins Gedächtnis. Ein Streifzug durch die Baselbieter Genusswoche.
Martin Müller hat Feuer gemacht. Unter dem Kupferkessel, in dem der junge Joris mit einer Holzkelle rührt, die fast so gross ist wie er selbst. Im Kessel ist Milch – Milch, die zu Käse wird, sobald Käser Müller das Lab hinzufügt, weiter erhitzt und die Zeit spielen lässt. Die ersten Gäste sind bereits da und schauen ihm auf die Finger, im Wohn- und Werkheim Dietisberg ob Läufelfingen, wo Gestrandete leben und arbeiten.
Hier findet im Rahmen der dritten Baselbieter Genusswoche der «Chästeilet» statt. Die Genusswoche findet noch bis zum kommenden Sonntag zum dritten Mal den Weg ins Baselbiet. Ursprünglich stammt die «Semaine du Goût» aus der Romandie, wo sie seit 2002 Produzenten, Gastronomen und Konsumenten an einen Tisch bringt.
Joris darf im Kessel rühren. (Bild: Lucas Huber)
Zum Vorbild hat man auf dem Dietisberg das Justistal genommen. Dort wird nach dem Sommer auf der Alp der Käse auf die Landwirte aufgeteilt: Chästeilet. Auf dem Dietisberg gibt es keine Alp, und den eigenen Käse – milden und rezenten Rahmkäse, Kuhmilchfeta, Mutschli – macht man erst seit drei Jahren. Doch die Marke hat sich etabliert, auch wenn der Markt hart umkämpft ist, wie Käser Müller berichtet.
Martktauf, marktab
Die Ergolz stromabwärts – im Liestaler Stedtli – kumuliert sich, was genusstechnisch etwas auf sich hält. Hier findet der dritte Baselbieter Genussmarkt statt. Es duftet nach Bratwürsten und Burgern, nach Kaffee, Zopf und allenthalben Süssem. Die lokalen Mikrobrauer sind hier und zapfen naturtrübe Biere, während die Kaffeerösterei Buser aus Binningen frischgemahlenen Espresso ausschenkt.
Viel Feines gibt’s auf dem Markt in Liestal. (Bild: Lucas Huber)
Am Stand der Steinmühle Thommen aus Eptingen blubbert eine echte Baselbieter Spezialität auf offenem Feuer: Kernotto, ein frei interpretiertes Risotto aus Urdinkel – natürlich vom eigenen Hof. Vom Hof Baregg aus Hemmiken kommt Trockenfleisch von Galoway-Rindern und das Caffè Mooi zu Liestal kredenzt Süsses «to go». Das freut die zahlreichen Besucher.
Das grosse Wettrüsten
Die Fahrt nach Häfelfingen ist kurz. Weit oberhalb des Dorfs, in der zugigen Scheune des Hofs Horn, sitzen knapp 40 Menschen rund um einen gigantischen Tisch und entsteinen Zwetschgen. «Hauszwetschgen», verrät Dora Meier vom Verein Posamenter. Sie ist Co-Organisatorin des Events, bei dem es darum geht, Zwetschgen für ihre Posamenter-Produkte zu rüsten.
Seit bald zehn Jahren gibt es das Label, das Hochstamm-Zwetschgen einen Absatzmarkt erschaffen hat und sich mittlerweile grösster Beliebtheit erfreut. Zum Sortiment gehören etwa das Zwetschgen-Chutney «Prune d’or», Zwetschgen-Törtli, -Läckerli und -Trockenwurst. Ziel ist es, die Oberbaselbieter Landschaft mit ihren charakteristischen Hochstamm-Obstbäumen zu erhalten. «Und das geht nur über den Absatz», ist Meier überzeugt.
Also rüstet man an diesem Samstag knappe 400 Kilogramm Zwetschgen. Unter den Teilnehmenden entbrennt zum Teil ein spielerischer Wettkampf, wer die höheren Steinhaufen aufzutürmen vermag. Andere unterhalten sich über Genuss, Aroma, aber auch über die Flüchtlingsthematik. Der Anlass hat einen gesellschaftlichen wie sozialen Ansatz – und letztlich auch einen geniesserischen. Denn als Belohnung wartet nach dem Wettrüsten ein Buffet mit Zwetschgenkompott und Zwetschgensablés, mit zwetschgensüssen Pouletspiessli und Käse mit Zwetschgendip.
Der Nebeneffekt des Geniessens
Neben Anlässen wie dem Wurstseminar in Muttenz, einer Käsewanderung auf der Wasserfallen oder einem Apéro-Workshop in Augusta Raurica hat eine ganze Reihe von Restaurants besondere Menüs für die Genusswoche kreiert. Unter ihnen haben sich unter dem Slogan «Baselbieter Zwetschgenwoche» eine Vielzahl den Zwetschgen verschrieben. Der «Leue» in Waldenburg, Hotel und Restaurant, gehört dazu. Der «Leue» macht Weltküche mit lokalen Produkten zu vernünftigen Preisen. Für die Riesencrevetten geht es nach New Orleans, für das Kalbs-Satay nach Indonesien.
Aber die Pasta dafür kommt aus Niederdorf, der Käse aus Mümliswil und das Fleisch vom Tschoppenhof. Einfach und gediegen, so beschreibt Inhaber und Chefkoch Marcel Blättler das Konzept. Und das glänzt zu dieser Jahreszeit mit der Zwetschgenkarte. Und weil wir Hunger mitbringen, probieren wir uns durch. Das japanische Zwetschgensüppchen ist ein Schmaus für alle Sinne, die Zwetschgen-Bruschette heben die bekannte Vorspeise auf eine neue Ebene, und das Dammhirschschnitzel an Zwetschgenwürfeln könnte zarter nicht sein. Zum Nachtisch bläst einem ein Meteoritensturm um die Ohren, dunkel eingefärbtes Meringue mit Zwetschgensorbet, ein Minzblättchen für den Kick.
Lecker, lecker, lecker… (Bild: Lucas Huber)
Praktisch alle Produkte stammen übrigens direkt von den Landwirten, die Zwetschgen etwa aus Hölstein und – weil es der Zufall so will – Häfelfingen, vom Hof Horn. «Regionale Produkte finden grossen Anklang», sagt Blättler, «und sie entsprechen zu 100 Prozent unserer Philosophie.» In diese Philosophie passt auch die Genusswoche, weshalb es für ihn selbstverständlich ist, daran teilzunehmen. Und mit der Verarbeitung von Hochstammzwetschgen leistet er seinen Beitrag zum Erhalt der Oberbaselbieter Landschaft. Und das sei doch ein schöner Nebeneffekt des Geniessens.