Die Schweiz stemmt sich in den Tropen gegen ein WM-Déjà-vu. Wieder hängt alles von der Begegnung mit Honduras ab. Es geht um den Achtelfinal.
Mit einem Scheitern befasst sich Hitzfeld am Tag vor seinem 60. Spiel als Nationalcoach nicht. Der Deutsche bleibt sachlich und ruhig. Von Aktionismus auf Empfehlung hält er per se wenig. Deshalb ist nur mit personellen Retouchen (Schär für Senderos und Drmic für Seferovic) zu rechnen. Unter seiner Leitung hat die SFV-Auswahl statistisch nahezu jede zweite Partie gewonnen. Entsprechend gefasst reagierte Hitzfeld auf den Absturz gegen Frankreich: «Ich bin überzeugt, dass die Mannschaft zusammenrücken und positiv reagieren wird.»
Im unmittelbaren Nachgang zum Fiasko gegen «Les Bleus» positionierte sich der mächtigste Trainer der SFV-Geschichte sofort vor der Mannschaft, weil er spürte, dass andernfalls noch mehr Polemik aufkommen könnte. Hitzfeld dämpfte ab, übernahm die Verantwortung. Jetzt wird der Taktiker noch einmal alles daran setzen, jene Kommentatoren zu widerlegen, die ihm nach der ersten schweren Niederlage seit dem WM-Out vor vier Jahren «Fussball aus der Vergangenheit» vorhielten.
Der Spielort im Dschungel ist zwar ungewöhnlich und die Luftfeuchtigkeit mit weit über 80 Prozent unangenehm hoch, aber eben: Die medizinisch ohnehin perfekt vorbereitete SFV-Delegation ist keinesfalls in einer unbespielbaren Klimazone gelandet. Für die Beteiligten ist spätestens seit dem 2:5-Debakel gegen Frankreich klar, dass sie am Rio Negro primär auf dem Rasen eine überaus prekäre Herausforderung zu bewältigen haben.
Honduras ist das womöglich schweisstreibendere Stichwort. Vor exakt vier Jahren in Bloemfontein stand das Schweizer Nationalteam vor der praktisch gleichen Aufgabe und scheiterte beim Versuch kläglich, mit einem Erfolg gegen die limitierten Zentralamerikaner unter die Top 16 vorzustossen. Im besten Fall genügt nun ein Remis, sollte sich Ecuador gegen Frankreich allerdings nicht an die Papierformel halten, ist die Lage nur noch mit einem deutlichen Sieg zu entschärfen.
Losgelöst von allen mathematischen Varianten spielt die Schweizer Equipe am Ende der Gruppenphase um mehr als die Qualifikation für den Achtelfinal gegen den zweifachen Weltmeister Argentinien. Sie kämpft auch um ihre Reputation, weil sie mit dem Selbstverständnis angereist ist, über mehr Qualität denn je zu verfügen. Daran ist das Team zu messen – und auch daran, dass die Generation um Stéphane Chapuisat 1994 und jene von Johann Vogel 2006 den Vorrunden-Cut überstanden haben.
Die Wortführer haben im Team-Hotel wohl ziemlich deutlich definiert, welche Aussendarstellung ab sofort angebracht wäre. Von der Augenhöhe mit den Grossen des Weltfussballs hat sich auch die jugendliche Fraktion der Selbstbewussten einstweilen wieder verabschiedet. In ihren Statements bemühten primär Xherdan Shaqiri und Granit Xhaka auffällig oft das Bild der «kleinen Schweizer», als wollten sie allen demonstrieren: «Uns ist wieder in den Sinn gekommen, woher wir eigentlich gekommen sind.»
Dzemaili hatte allen geraten, die Füsse wieder auf den Boden zu setzen. Sein Ansatz ist nicht der schlechteste. Im Duell mit Honduras, in der WM-Geschichte zwar sieglos, aber immer unzimperlich und mit fünf gelben Karten in Brasilien bereits kein Anwärter mehr auf den Fairplay-Award, wäre eine selbstgefällige Attitüde fehl am Platz. In dieser kapitalen Begegnung zählt die Bereitschaft, alle verfügbaren Ressourcen anzuzapfen, sich gegen die Kampfkraft eines Gegners aufzulehnen, der in erster Linie physisch wehtun wird. Von einem «Endspiel» war die Rede – wieder einmal.