Aufs Auto ausgewichen

SBB-Chef Andreas Meyer behauptete an der Bilanzpressekonferenz, die Bahn habe nicht wegen der steigenden Preise Passagiere verloren. Dabei zeigt ein Blick auf die von den SBB selbst erhobenen Zahlen ein anderes Bild.

Andreas Meyer, CEO SBB: «WIr registrieren keine spürbaren Reaktionen auf die Preiserhöhung vom letzten Dezember.» (Bild: STEFFEN SCHMIDT)

SBB-Chef Andreas Meyer behauptete an der Bilanzpressekonferenz, die Bahn habe nicht wegen der steigenden Preise Passagiere verloren. Dabei zeigt ein Blick auf die von den SBB selbst erhobenen Zahlen ein anderes Bild.

SBB-CEO Andreas Meyer musste an der Bilanzmedienkonferenz die unangenehme Nachricht überbringen, dass in den Zügen der SBB letztes Jahr erstmals seit langem weniger Passagiere unterwegs waren. Der SBB-Chef suchte die ­Ursachen dafür ausserhalb des Unternehmens: Das wirtschaftliche Umfeld sei schwierig. Die Nachfrage sinke. Es werde weniger gereist und auch der Tourismus sei rückläufig. Vor allem der Freizeitverkehr sei zurück gegangen.

Auf die stark gestiegenen Billett- und Abopreise hingegen habe die Bahn keine spürbaren Reaktionen registriert. Bei der anschliessenden Fragerunde wollte eine Journalistin von Meyer wissen, wie viele der abgesprungenen Kunden die Bahn an die Strasse verloren habe. «Wir haben keine verlässlichen Zahlen zum Marktanteil. Deshalb können wir die Frage nicht beantworten, wie viele aufs Auto umgestiegen sind.»

Eine erstaunliche Antwort, zeigt doch ein Blick in die Statistik der Bahn selbst, dass sie im Jahr 2012 im Personenverkehr ein halbes Prozent Marktanteil verloren hat. Unter Punkt S03 ist dort der Anteil der Bahn am motorisierten Gesamtverkehr (gemessen an der Verkehrleistung in Personenkilometern) aufgelistet. Und just jener Marktanteil ging um ein halbes Prozent von 25.4 auf 24.9 Prozent zurück.

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Die entscheidende Zahl findet sich auf der fünften Seite der Broschüre «Die SBB in Zahlen 2012». Diese lag an der Pressekonferenz zusammen mit dem Geschäftsbericht und der Pressemappe «Unterwegs zuhause» auf. Ein Blick in die eigenen Unterlagen hätte also genügt und Meyer hätte noch eine zweite unangenehme Nachricht überbringen müssen: Die Bahn hat nicht nur 1.2 Prozent Kunden verloren, sondern zumindest einen Teil davon auch an die Strasse.

Verkehr auf die Strasse verlagert

Gerhardt Tubandt, Pressesprecher des Verkehrs-Clubs der Schweiz ist darüber nicht erstaunt: «Der Freizeitverkehr hat im letzten Jahr sicher nicht abgenommen, die Leute sind aber vermehrt aufs Auto umgestiegen.» Kumuliert stiegen die Tarife in den letzten drei Jahren durchschnittlich um fast 10 Prozent. Diese Preissteigerungen wirkten sich umso stärker aus, als andere Faktoren wie überfüllte Züge, dreckige Toiletten oder Vandalismus das Zugfahren ebenfalls weniger attraktiv machen würden, schreibt der Verkehrs-Club in einer Medienmitteilung und warnt: SBB und der Bundesrat wollten das Bahnfahren noch mehr verteuern, damit würden aber noch mehr Reisende wieder aufs Auto umsteigen.

Lesen Sie dazu auch in der neusten Ausgabe der TagesWoche den Artikel «Auf Passagier-Entzug»: Die SBB haben gegenüber ihren Kunden eine härtere Gangart angeschlagen. Mit ein Grund dafür, dass Bahnkunden aufs Auto umgestiegen sind? Urteilen Sie selbst.

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