Für sein Theaterstück hat Tracy Letts bereits den Pulitzer-Preis und einen Tony-Award eingeheimst. In Basel war die Aufführung «Die Familie» 2009 im Schauspielhaus der Erfolg der Spielzeit. Jetzt ist «August: Osage County» im Kino zu sehen. Mit einem traumhaften Ensemble.
«August: Osage County»
Ein Theaterfest.
Der Dramatiker Tracy Letts ist in Basel kein unbekannter: Seine «Familie» («August: Osage County», Pulitzer-Preis, Tony-Award) feierte im Basler Schauspielhaus 2009 mit Nicola Weisse und Chantal Le Moign einen grossen Erfolg. Letts ist selber Schauspieler und als Autor ein erbarmungsloser Chirurg. Er setzt sein dramaturgisches Skalpell dort an, wo die Diagnose des Arztes Tschechow einst Halt machte, dort, wo die Wahrheitssuche Tennessee Williams einst endete: In der schauspielerischen Familienkatastrophe. Letts diagnostiziert nicht nur die Krankheit der Generationen. Er seziert auch ihre Rollenspiele. Er setzt Zwingschrauben ein – dort, wo es weh tut – beim Daumen, der einst nach oben zeigte. Der soziale Aufstieg des Mittelstandes baute auf Lügen.
Ein Schauspielerinnenfest
Der Cast lässt sich die Einladung zum Drama nicht entgehen. Meryl Streep, Julia Roberts, Juliette Lewis zelebrieren ihre Kunst und ihren Mut zur Hässlichkeit. Keine lässt es aus, sich für einen Oscar zu bewerben. (Tatsächlich sind Meryl Streep und Julia Roberts auch nominiert worden). Zu sehen ist auch sonst das Feinste an Schauspielkunst, was Hollywood bieten kann. Die Schauspielerinnen feiern ein Theaterstück, dass die Schraube weiter dreht als Sam Shepard als Autor (der hier auch mitspielt) es einst tat. Ein Theatercoup jagt den anderen. Ein dramatischer Höhepunkt folgt dem nächsten. Hier wird nicht nur die Krankheit einer Generation diagnostiziert, das Füllhorn von «August: Osage County» ist mit Melodramtatik bis oben gefüllt: Die Frauen, die bei den grossen Theaterautoren noch Opfer der Männergesellschaft waren, werden von der Autorin nicht mehr entlastet. Die Matriarchin entpuppt sich als despotischer als ihre männlichen Vorgänger.
Ein Familienfest der Katastrophen
All die famliären Desaster hätten gerne in ein «August: Strindbergs Best» gepasst. «August: Osage County» versammelt in einem einzigen Melodram den Stoff fast aller familiärer Konfliktfelder, die die realistische Dramatik je betreten hat. Die Schauspielerinnen gehen mit ihren Figuren durch alle denkbaren Lebenskrisen. Dabei spannt das Stück den Bogen über vier Generationen, und bietet dem Ensemble, was die Theaterkunst des letzten Jahrhunderts atemberaubend gemacht hat. Die Analyse der biografischen Untiefen gelingt allerdings nicht mehr so geradlinig, wie zur Zeit des Patriarchats von Ibsen. Die Täterin nämlich ist – auch Opfer.
So haut «August: Osage County» brilliant über die Stränge. Wenn das Gefühl uns einholt, dass wir das alles schon einmal gesehen haben, dann mag das daran liegen , dass die Reise entlang von «Freuds Gesammelten Werken» führt. «Die Familie», konstatierte Freud einst, «ist die Brutstätte der Neurose». Der Autor lädt zu einer ausführlichen Besichtigung dieser Aussage ein. Die Schauspieler nehmen die Einladung dankbar an.
«August: Osage County» läuft in den Basler Kinos Atelier und Rex 1.