Sepp Herberger und seine Spieler von 1954 gelten als WM-Helden. Das Wunder von Bern wurde verfilmt und oft beschrieben. Nur zwei deutsche Weltmeister leben noch.
Hans Schäfer und Horst Eckel teilten sich am letzten derartigen Grossanlass in der Schweiz im deutschen Quartier in Spiez das Zimmer; beide leben 60 Jahre danach als einzige aus dem deutschen Weltmeister-Team noch. Zum 60. Jahrestag wollen sie aber nicht von Wunder und Helden sprechen, sondern nur etwas in Erinnerung schwelgen und vor allem dem deutschen Team in Rio de Janeiro im Maracana die Daumen drücken.
Am 4. Juli 1954 wurde Deutschland im Berner Wankdorfstadion mit einem 3:2 gegen Ungarn (nach 0:2-Rückstand und nach einem Debakel in der Vorrunde gegen den gleichen Gegner) sensationell Weltmeister. In Deutschland weiss noch heute jeder Fussball-Fan, was «der Geist von Spiez» bedeutet, Trainer Herbergers Aussage «elf Freunde müsst ihr sein» ist unvergessen, und wer etwas auf sich hält, kann auch die elf Akteure des Finals auswendig aufzählen. «Wir waren nicht nur elf, wir waren 22 Freunde. Jeder war froh, dass er überhaupt dabei war», betonte Schäfer (86) in einem Interview mit dem DFB-Journal den Teamgedanken.
Feiert Hans Schäfer den 4. Juli noch heute? «Nein, das ist für mich ein Tag wie jeder andere, manchmal vergesse ich ihn sogar. Meine Frau erinnert mich dann daran. Ich mache kein Theater um Sachen, die früher mal waren.» . Er hat fast alle Einladungen abgesagt. Auch 2006, bei der Heim-WM in Deutschland, hielt sich der langjährige Linksaussen des 1. FC Köln im Hintergrund auf. Öffentliche Auftritte wie bei der Präsentation des Films «Das Wunder von Bern» mied er. Dagegen wirkte der vier Jahre jüngere Eckel, damals im Wankdorf mit 22 der Youngster im Team, als Zeitzeuge und fachlicher Berater von Regisseur Sönke Wortmann an der Produktion mit.
Von Begriffen wie «Wunder» oder «Helden» hält Schäfer nichts. «Man ist kein Held, wenn man ein Fussballspiel gewinnt», sagte der Weltmeister von 1954. Der Titelgewinn neun Jahre nach dem Ende des 2. Weltkriegs bewegte gleichwohl das ganze Land. Für Historiker gilt der erste WM-Sieg sogar als Wiedergeburt der Nation Deutschland. Doch der kollektive Jubel über das damalige «Wir sind wieder wer» ist sechs Jahrzehnte später auch der kritischen Frage «Wie sind wir es geworden?» gewichen.
Die Studie «Doping in Deutschland von 1950 bis heute» befeuerte im Vorjahr schwelende Doping-Gerüchte um das Herberger-Team. Fest steht, dass mehrere Spieler in der Schweiz gespritzt wurden. Möglicherweise mit dem Aufputschmittel Pervitin, doch das ist nicht bewiesen. Erste Gerüchte kursierten bereits kurz nach dem WM-Final. Ungarns Superstar Ferenc Puskas erhob gegen die viel gefeierten Weltmeister schwere Vorwürfe, die durch mehrere Gelbsucht-Erkrankungen bei deutschen Spielern Nahrung erhielten. WM-Ersatzmann Richard Herrmann starb 1962 an der Krankheit. Die Empörung in Deutschland über den ungarischen Major war gross, der DFB erklärte ihn kurzzeitig zur persona non grata.
Die deutschen Spieler haben die Anschuldigungen stets zurückgewiesen. «Jeder Spitzensportler nimmt Traubenzucker. Bei uns regulierte der Arzt den Verbrauch. Der besseren Wirkung wegen nahmen einige das Dextrogen nicht als Präparat, sondern liessen es sich spritzen», schrieb Schäfer bereits 1964 in seinem Buch «Die Schäfer-Ballade» über die Hepatitis-Welle. «Das Pech aber wollte es, dass einer von uns das Virus zu einer infektiösen Gelbsucht in sich trug.» TV-Mann Rudi Michel und Horst Eckel führten nicht ausreichend desinfizierte Spritzen als mögliche Ursachen an. «Wir haben Traubenzuckerspritzen bekommen, und da war für jeden Einzelnen ja keine Spritze da», erklärte Eckel 2004 in der ARD-Sendung «Report».
Die Beziehungen zu den ungarischen Spielern haben sich längst normalisiert. Der Tod des legendären Torwarts Gyula Grosics vor drei Wochen löste grosse Betroffenheit aus. Auch von den Ungarn lebt damit nur noch Jenö Buzansky (89) aus dem legendären Schweizer WM-Final von 1954.