Markus Spillmann, der Chefredaktor der «Neuen Zürcher Zeitung», tritt zurück. Wer seine Nachfolge antritt, sei noch offen, teilt die NZZ-Mediengruppe mit. Bereits brodelt es heftig in der Gerüchteküche.
Markus Spillmann, der Chefredaktor der NZZ, muss gehen. Bis eine definitive Nachfolge gefunden ist, leiten die drei stellvertretenden Chefredaktoren die NZZ-Redaktion: René Zeller, Luzi Bernet und Colette Gradwohl. Damit werde Kontinuität gewährleistet, heisst es in einer Mitteilung der NZZ-Mediengruppe.
Hinter dem Abgang stehen unterschiedliche Auffassungen darüber, wie die Gruppe ihre publizistische Leitung im Geschäftsbereich NZZ neu organisieren soll. Zum Geschäftsbereich gehören die «Neue Zürcher Zeitung», die «NZZ am Sonntag» und das Onlineportal nzz.ch.
Aufgeheizte Stimmung
Mitarbeiter, die am Dienstagnachmittag um 15 Uhr an einer Betriebsversammlung informiert wurden, berichten gegenüber der TagesWoche von einer sehr emotionalen und zum Teil «krawalligen» Stimmung. Fragen nach den konkreten Gründen für die Trennung seien von den Verantwortlichen beharrlich abgeblockt worden.
Auch sei die Ankündigung des Personalentscheids für viele überraschend gewesen – nicht zuletzt auch, weil Spillmann noch vor Kurzem zu einem Glühwein-Abend eingeladen habe.
Inzwischen wird auch schon wild spekuliert, wer Markus Spillmanns Nachfolger sein könnte (am Dienstagnachmittag wurde unter anderem auch BaZ-Chefredaktor Markus Somm in der Gerüchteküche herumgereicht, was dann aber später von allen Beteiligten dementiert wurde):
@christof_moser Eher unwahrscheinlich: Soweit ich weiss, ist Somm ein absoluter Digital-Verächter. #NZZ
— ThomNagy (@ThomNagy) 9. Dezember 2014
+++ NZZ-Chefredaktor Spillmann ist abgesetzt +++ Somm nicht Nachfolger, war aber Thema im Verwaltungsrat +++ Suche nach Nachfolger läuft.
— Christof Moser (@christof_moser) 9. Dezember 2014
Update #NZZ: Interne Kandidaten sollen im VR #Guyer, #Teuwsen und #Bernet sein. Externe #Somm und ein Anonymous
— Christof Moser (@christof_moser) 9. Dezember 2014
Breaking: Kai Diekmann im Gespräch als #NZZ-Chefredaktor. „Aber erst muss der Bart ab“, so ein ungenannt bleiben wollender Verwaltungsrat.
— Daniel Menna (@MadMenNa) 9. Dezember 2014
lustig. journis, die schnellschussjournalismus kritisieren und dann selber ins spekulative hyperventilieren verfallen @christof_moser #nzz
— philipp meier (@metamythos) 9. Dezember 2014
Spillmann war bisher in Personalunion NZZ-Chefredaktor und Leiter Publizistik im Geschäftsbereich NZZ. Die beiden Funktionen sollen neu definiert und die publizistischen Prozesse entsprechend geordnet werden, heisst es in der Mitteilung.
Uneinig über Umsetzung von Veränderungen
Zur Zeit sei man daran, sich «gezielt auf die Anforderungen eines veränderten Marktumfeldes auszurichten». Dies gelte auch für die Organisation der publizistischen Leitung im Geschäftsbereich NZZ.
Man wolle die Aufgaben «auf mehrere Schultern verteilen». Seit längerem hätten Spillmann und der Verwaltungsrat der NZZ-Mediengruppe diesbezüglich Gespräche geführt.
Über die Stossrichtung der angepeilten Veränderungen seien Spillmann und der Verwaltungsrat einig, über die konkrete Umsetzung nicht. Aus diesem Grund sei man übereingekommen, dass er auf Ende Jahr von seinen Funktionen zurücktrete.
In den nächsten Wochen wird der Verwaltungsrat nun die künftige Organisation der publizistischen Leitung festlegen. Die Suche nach einem geeigneten Nachfolger für Spillmann ist bereits eingeleitet worden.
NZZ in die digitale Welt gebracht
Spillmann war seit April 2006 NZZ-Chefredaktor. In dieser Funktion war er auch Leiter Publizistik im Geschäftsbereich NZZ. Begonnen hatte der heute 47-Jährige bei der NZZ bereits 1995, zunächst als Dienstredaktor, später als Auslandredaktor.
Ab 2001 wirkte er bei der Lancierung der «NZZ am Sonntag» mit. Im Frühling 2002 übernahm er dort die Leitung des Ressorts International und war Stellvertreter des Chefredaktors.
In seiner Zeit als NZZ-Chefredaktor habe Spillmann den «Wandel von der traditionellen Zeitung in die digitale Welt erfolgreich auf den Weg gebracht», heisst es in der Mitteilung. Er habe eine der ersten konvergenten Redaktionen in der deutschsprachigen Medienlandschaft eingeführt.
Unter anderem verantwortete Spillmann gemäss Mitteilung das Redesign der NZZ, die Neulancierung von nzz.ch sowie die erste Paywall der Schweiz. In seinen Funktionen als Vorsitzender der NZZ-Gruppenleitung und später als Mitglied der Unternehmensleitung habe er «massgeblich zur strategischen Weiterentwicklung der Gruppe beigetragen».
Der Verwaltungsrat möchte Spillmann im Unternehmen behalten. Entsprechende Optionen werde man mit ihm zusammen prüfen, teilte die Mediengruppe mit. Spillmann selbst war nicht erreichbar.
Seit 1995 bei der NZZ
Der gebürtige Basler Spillmann hatte an den Universitäten Basel und Zürich Geschichte, Politische Wissenschaften und Volkswirtschaftslehre studiert. 1995 ging er zum «Badener Tagblatt», wechselte aber noch im gleichen Jahr zur NZZ. Spillmann lebt in Zürich. Er ist verheiratet und Vater von drei Kindern.
Dass jemand den NZZ-Chefredaktoren-Posten vorzeitig verlässt, ist nicht üblich. Spillmanns Vorgänger, Hugo Bütler (1985-2006), Fred Luchsinger (1968-1984) und Willy Bretscher (1933-1967), waren bei ihrem Rücktritt alle 62-jährig oder älter.