Im Kampf gegen Terrorismus befassen sich die Behörden mit der Frage, wie verhindert werden kann, dass sich jemand radikalisiert. Der Delegierte für den Sicherheitsverbund Schweiz sieht Handlungsbedarf bei den Imamen.
Im Rahmen der Taskforce TETRA hat der Delegierte André Duvillard bestehende Präventionsmassnahmen zusammengetragen. Der am Montag veröffentlichte Bericht sei als «Ideenpool» für die verschiedenen Akteure gedacht, schreibt das Verteidigungsdepartement (VBS).
Der Bericht identifiziert aber auch Lücken. Der Dialog zwischen den muslimischen Gemeinschaften und den öffentlichen Behörden sollte auf allen Ebenen geführt werden, schreibt Duvillard. Die Kantone müssten Kenntnis haben von Personen, die als Imame tätig seien.
Ausbildung für Seelsorger
Der Bericht empfiehlt weiter, eine anerkannte Ausbildungsmöglichkeit für muslimische Seelsorger zu schaffen oder die Zulassung zu bereits bestehenden Weiterbildungsprogrammen zu prüfen. Dazu zählt etwa das Programm der Universität Bern zur Seelsorge im Straf- und Massnahmenvollzug.
Der Bund soll seinerseits prüfen, ob eine Überwachung von Finanzierungsflüssen für Stiftungen sinnvoll und möglich wäre. Die Finanzierung religiöser Stiftungen werfe mitunter Fragen nach der Herkunft der Gelder auf, hält Duvillard fest.
Fehlende Strukturen
Der Einbezug der muslimischen Vereine ist aus seiner Sicht wichtig für die Prävention. Erschwert wird dieser jedoch durch fehlende professionelle Strukturen und Ressourcen.
Die knappen finanziellen Mittel von muslimischen Religionsgemeinschaften haben auch Auswirkungen auf die Möglichkeiten eines professionellen Religionsunterrichts für muslimische Kinder und Jugendarbeit. Dort aber liessen sich die Grundlagen legen für einen informierten Umgang mit religiösen und gesellschaftlichen Fragen.
Lokale Massnahmen
Allgemein empfiehlt Duvillard, bei der Prävention auf der lokalen Ebene anzusetzen. Die Einrichtung einer nationalen Anlaufstelle im Sinne eines Kompetenzzentrums soll zwar geprüft werden. Primär sind aber Kantone und Städte in der Pflicht: Sie sollen festlegen, welche Stellen für die Beratung zum Thema dschihadistische Radikalisierung zuständig sind.
Dafür müssten nicht unbedingt neue Fachstellen geschaffen werden, schreibt Duvillard. Es sei aber klar bekannt zu geben, welche Stelle zuständig sei. Zudem sollten die Zusammenarbeit und der Informationsaustausch unter den Akteuren verstärkt werden. Zu den weiteren Empfehlungen gehört die Weiterbildung von Personen, die professionell Kinder und Jugendliche betreuen.
Ausbildung und Helpline
Als erster Kanton hat Genf eine Strategie zur Prävention der Radikalisierung umgesetzt. Die Massnahmen nähmen Gestalt an, heisst es im Bericht – in Ausbildungsmodulen für Jugend- und Sozialarbeitende, der Einrichtung einer Helpline und dem Informationsaustausch zwischen allen Partnern.
Der Kanton Freiburg setzt auf das Konzept des Community Policing: Polizisten stehen mit Partnern aus dem sozialpädagogischen Bereich und den Religionsgemeinschaften in Kontakt. Besteht ein Verdacht auf Radikalisierung, wird dieser den Polizisten beim regelmässigen Austausch mitgeteilt.
Software zur Einschätzung
Die Stadt Zürich wiederum hat ein Hilfsmittel für Schulen verfasst, ein Ablaufschema bei Verdacht auf Radikalisierung. Zudem hat die Fachstelle für Gewaltprävention der Stadt eine Software entwickelt, die bei der Einschätzung einer Person helfen soll, die sich möglicherweise radikalisiert.
Und die Koordinationsgruppe Jugendgewalt des Kantons Zürich hat ein Merkblatt mit Empfehlungen für Mitarbeitende von Schulen und Heimen verfasst, das Informationen zur Früherkennung und zum Vorgehen bei einem Verdacht auf Radikalisierung enthält.
Arbeitslosigkeit verhindern
Die Radikalisierung sei eine Herausforderung für die gesamte Gesellschaft, betont Duvillard. Es seien Behörden und Akteure ausserhalb des Sicherheitsbereiches, die Tendenzen frühzeitig erkennen und versuchen könnten, eine Radikalisierung zu verhindern.
Neben gezielten Massnahmen führt der Bericht solche auf, die einer Radikalisierung im weiteren Sinne entgegenwirken. Dazu zählen die Verhinderung von Arbeits- und Perspektivenlosigkeit, die Teilnahme an der Gesellschaft und die Förderung des Demokratieverständnisses. Der Bericht entstand im Rahmen der Taskforce TETRA und wurde den Kantonen übergeben.