Zusammen mit Holocaust-Überlebenden haben 61 Abgeordnete des israelischen Parlaments, der Knesset, am Montag im ehemaligen deutschen Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau der Opfer des Holocausts gedacht. Im grössten nationalsozialistischen Vernichtungslager wurden mindestens 1,1 Millionen meist jüdische Häftlinge ermordet.
Das Lager wurde am 27. Januar vor 69 Jahren von Soldaten der Roten Armee befreit.
«Auschwitz wird für immer das schwarze Loch in der gesamten Menschheitsgeschichte sein», sagte Isaak Herzog, Fraktionschef der oppositionellen Arbeitspartei, in einer Ansprache in der südpolnischen Stadt unweit von Krakau.
Insgesamt ermordeten die Nationalsozialisten rund sechs Millionen Juden aus ganz Europa. In Israel leben heute noch rund 193’000 Holocaust-Überlebende.
Nie wieder dürften Menschen gleichgültig auf das Schicksal anderer reagieren oder vor Antisemitismus und Rassenhass resignieren, betonte der Abgeordnete Herzog, der auch an das Schicksal seiner in Auschwitz ermordeten Tante erinnerte. «Wenn wir die Hoffnung verlieren, dass eine bessere Welt aufgebaut werden kann, dann verlieren wir gegen Auschwitz.»
Die Knesset-Abgeordneten durchschritten das Portal mit dem Nazi-Schriftzug «Arbeit macht frei» am Eingang von Auschwitz I, dem ältesten Teil des im Zweiten Weltkrieg von Hitler-Deutschland im Süden Polens errichteten Lagers.
4,3 Millionen Namen
Vor der Gedenkfeier hatten die Knesset-Vertreter mit mehr als 20 hochbetagten Holocaust-Überlebenden und Vertretern des israelischen Militärs das Stammlager Auschwitz besucht, wo unter anderem in den Sammlungen der Gedenkstätte Schuhe, Koffer und Haare der Ermordeten aufbewahrt werden.
In der im vergangenen Juni eröffneten Holocaust-Ausstellung sahen sie auch das «Buch der Erinnerung», in dem die Namen von rund 4,3 Millionen ermordeten Juden aufgelistet sind.
Vor dem Denkmal für die Opfer von Auschwitz-Birkenau beteten Überlebende und Abgeordnete das jüdische Totengebet Kaddisch und das Erinnerungsgebet für die Holocaust-Opfer, das «El Male Rachamim».
An der Todeswand
Bereits am Vormittag hatten polnische Überlebende an der «Todeswand» von Auschwitz der Opfer des Nationalsozialismus gedacht. «Wir haben hier schwere Zeiten durchgemacht. Ich fühle Genugtuung, dass ich diesen Ort auf meinen eigenen Beinen und nicht durch den Schornstein verlassen habe» zitierte die polnische Nachrichtenagentur PAP den ehemaligen Häftling Bogdan Bartnikowski.
Die 88-jährige Jadwiga Bogucka war trotz ihres hohen Alters bei eisigen Temperaturen gekommen. «Ich sehe das als Pflicht», sagte sie. «Wir sind die lebenden Zeugen, wir müssen die Wahrheit künftigen Generationen weitergeben.»
Deutliche Worte im Bundestag
Zum Holocaust-Gedenken im Bundestag in Berlin rief Parlamentspräsident Norbert Lammert zur Verteidigung der Demokratie auf. Die Morde des rechtsextremen NSU an Migranten, die von rassistischen Parolen begleiteten Proteste gegen Flüchtlingsheime und antisemitische Straftaten in Deutschland forderten «unsere rechtsstaatliche, politische und zivilgesellschaftliche Gegenwehr als Demokraten heraus», sagte Lammert. «In Deutschland jedenfalls ist Intoleranz nicht mehr tolerierbar.»
Die Gedenkstunde im Bundestag findet seit 1996 jährlich anlässlich des Jahrestages der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz durch russische Soldaten statt.
Papst Franziskus bezeichnete den Holocaust als «Schande für die Menschheit». Ein solcher Horror dürfe sich nie mehr wiederholen, heisst es in einem Brief des Papstes an den argentinischen Rabbiner Abraham Skorka, aus dem Radio Vatikan am Montag zitierte.