Ausländerinnen und Ausländer der dritten Generation sollen sich in der Schweiz leichter einbürgern lassen können. Der Nationalrat hat sich am Mittwoch für eine Änderung der Bundesverfassung und des Bürgerrechtsgesetzes ausgesprochen. Dagegen stellte sich nur die SVP.
2004 hatte das Stimmvolk eine Vorlage abgelehnt, die erleichterte Einbürgerungen für die zweite Generation und automatische für die dritte Generation vorsah. Die aktuelle Vorlage geht weniger weit: Diesmal ist keine automatische Einbürgerung bei Geburt in der Schweiz vorgesehen. Auch Personen der dritten Ausländergeneration sollen das Schweizer Bürgerrecht nur auf Antrag erhalten.
Voraussetzung für die erleichterte Einbürgerung wäre neben der Geburt in der Schweiz, dass mindestens ein Grosselternteil in der Schweiz geboren worden ist oder ein Aufenthaltsrecht besessen hat. Auch mindestens ein Elternteil müsste hier geboren worden sein oder vor dem zwölften Altersjahr eine Aufenthaltsbewilligung erworben haben.
Kaum Bezug zum Herkunftsland
Laut der vorberatenden Nationalratskommission könnten sich so 5000 bis 6000 Personen jährlich erleichtert einbürgern lassen. Die Integrationskriterien müssten erfüllt sein, betonten die Befürworter. Lägen Verstösse gegen die Rechtsordnung vor, könne das Bürgerrecht verweigert werden.
Die Betroffenen seien in der Schweiz aufgewachsen und zur Schule gegangen, gab Ruth Humbel (CVP/AG) zu bedenken. «Sie denken wie Schweizerinnen und Schweizer, leben wie Schweizerinnen und Schweizer und sprechen unsere Sprache.» Ihr Herkunftsland würden sie oft nur aus Erzählungen der Grosseltern kennen.
Beat Flach (GLP/AG) stellte fest, es sei höchste Zeit für die Neuerung. Die Betroffenen seien jetzt schon Schweizer, es fehle ihnen einfach der Schweizer Pass. Beim Schweizer Bürgerrecht gehe es «um die Weitergabe des Feuers, nicht um die Anbetung der Asche».
Ausländeranteil künstlich senken
Hans Fehr (SVP/ZH) sprach dagegen von einer «Zwängerei». Das Anliegen komme regelmässig wieder, werde dadurch aber nicht besser. Das Volk habe sich 2004 mit grosser Mehrheit dagegen ausgesprochen, auch auf kantonaler Ebene seien Versuche gescheitert.
Der Titel der Vorlage – «die Schweiz soll ihre Kinder anerkennen» – töne gut, räumte Fehr ein. Aber es gehe um etwas anderes. «Wird sind doch nicht bereit, Hunderttausende von sogenannten Kindern, die unsere Kinder sein sollen, anzuerkennen.» Das Motiv der Befürworter könne nur sein, die Statistik zu «verbessern», also den Ausländeranteil zu senken, vermutete Fehr.
Balthasar Glättli (Grüne/ZH) widersprach. Das Motiv sei eine bessere Demokratie, im «zutiefst Schweizerischen Sinne». Die Qualität einer Demokratie messe sich nämlich daran, dass jene, die von Entscheiden betroffen seien, mitbestimmen könnten.
«Sie leiten Turnvereine»
Für die Vorlage machte sich auch Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga stark. Die Frage sei nicht, warum diese Menschen eingebürgert werden sollten. Die Frage sei vielmehr, warum man ihnen das Bürgerrecht verweigern sollte.
Es handle sich um Menschen, die hier lebten, arbeiteten und Steuern bezahlten. «Sie leiten Turnvereine und führen Pfadilager durch», sagte Sommaruga. Sie wies ausserdem darauf hin, dass andere Ländern Personen der zweiten Generation automatisch einbürgerten.
Der Rat sprach sich mit 123 respektive 122 zu 58 Stimmen bei 4 Enthaltungen für die Änderung von Verfassung und Gesetz aus. Die Vorlage geht nun an den Ständerat. Stimmt auch er zu, wird das Volk das letzte Wort haben, da die Bundesverfassung geändert werden muss.
Einbürgerung bei Geburt
Anders als für die normalen Einbürgerungsverfahren ist für die erleichterte Einbürgerung der Bund allein zuständig. Gemäss Bundesverfassung regelt er den Erwerb des Bürgerrechts jedoch nur bei Abstammung, Heirat und Adoption. Neu würde in der Bundesverfassung verankert, dass der Bund auch den Erwerb des Bürgerrechts durch Geburt regelt und die Einbürgerung von Personen der dritten Ausländergeneration erleichtert.
Die Gegner kritisieren, damit würden auch automatische Einbürgerungen ermöglicht. Der Bundesrat hatte dazu in einem Bericht festgehalten, theoretisch würde die vorgeschlagene Änderung der Bundesverfassung es dem Bund erlauben, den automatischen Erwerb des Bürgerrechts nach dem Grundsatz des ius soli vorzusehen. Die Gesamtvorlage bezwecke jedoch eindeutig, den Bund bloss zur Regelung der erleichterten Einbürgerung der dritten Generation zu ermächtigen.
Die Vorlage geht auf eine parlamentarische Initiative der Waadtländer SP-Nationalrätin Ada Marra zurück. Sie schafft die Grundlagen für eine einheitliche Regelung. Den Kantonen steht es heute frei, im kantonalen Recht Einbürgerungserleichterungen für Ausländer der dritten Generation vorzusehen.