Aussergewöhnliches Kriegsspiel versetzt den Gamer in die Lage von Zivilisten

«This War of Mine» versetzt den vermeintlich kriegserprobten Videospieler in eine ungewohnte Perspektive: in die der Zivilbevölkerung. Bei der Version für die PS4 gehts nun sogar um Kinderleben. Das Szenario der Simulation ist schier unerträglich – und gerade deswegen eine Bereicherung. Für Gamer sind Kriegssituationen oft Alltag. Historische Schlachten, futuristische Gefechte oder strategische Manöver – […]

«This War of Mine» versetzt den vermeintlich kriegserprobten Videospieler in eine ungewohnte Perspektive: in die der Zivilbevölkerung. Bei der Version für die PS4 gehts nun sogar um Kinderleben. Das Szenario der Simulation ist schier unerträglich – und gerade deswegen eine Bereicherung.

Für Gamer sind Kriegssituationen oft Alltag. Historische Schlachten, futuristische Gefechte oder strategische Manöver – der virtuelle Krieg gehört zum Kerngeschäft der Spielindustrie. THIS WAR OF MINE: THE LITTLE ONES des polnischen Studios 11 Bit Studios ist jedoch eine Variante, wie man sie bisher noch kaum gesehen hat. Eine brutale, realistische Darstellung der zivilen Gesellschaft in einer Kriegssituation.

Ein kurzer Text skizziert die Ausgangslage: Eine Gruppe Menschen findet unter verschiedensten Umständen Zuflucht in einem halb zerstörten Gebäude einer kriegsversehrten Stadt. Für sie gehts jetzt ums nackte Überleben.

Umliegende Gebäude können nach brauchbaren Materialien durchsucht werden. Gewisse Gegenstände lassen sich zu rudimentären Möbeln zusammenfügen, Nahrung ist knapp. Abwechslungsweise halten einzelne Figuren Wache oder gehen auf Plünder-Tour. Dabei werden sie mit weiteren Personen konfrontiert, moralisch unlösbare Dilemmata türmen sich vor ihnen auf.

Unerträgliche Fragen

Soll man das ältere Paar angreifen, um an Lebensmittel für die Kinder in der Gruppe zu kommen? Opfere ich jemanden, weil ich nicht genug Medikamente für mehrere Kranke besorgen kann? Auch die Spielfiguren selbst können mit den Dramen oft nicht umgehen, nicht selten wählt ein Protagonist den Freitod als einzigen Ausweg.

THIS WAR OF MINE: THE LITTLE ONES ist harte Kost, gerade für vermeintlich virtuell kriegserfahrene Spieler. Die jeweils zwischen 25 und 45 Tage dauernden Phasen gehen an die Substanz, wühlen auf. Die reduzierte, düstere Grafik trägt viel zur beklemmenden Stimmung bei und überzeugt rundum.

Mängel gibt es in der Version für die PS4 bei der Steuerung. Störender aber finde ich, dass die Macher bei den titelgebenden Kindern (ein neues Feature gegenüber der PC-Version) zu wenig Konsequenz zeigen, auch wenn sie eine wichtige zusätzliche Komponente darstellen: Im Gegensatz zu den Erwachsenen sterben die Kinder in der Simulation nämlich nicht.

Wird die Situation zu kritisch, verlassen sie die Gruppe und ihr Schicksal entzieht sich dem Einfluss des Spielers. Sicherlich, die Intention der Macher ist nachvollziehbar, dass sie den Benutzern das schlimmste vorstellbare Ereignis ersparen wollten, den Tod eines Kindes, für das man verantwortlich wird. Gleichzeitig ergibt sich daraus eine seltsame emotionale Distanz. Denn wenn man weiss, dass das Kind sowieso irgendwie «okay» ist, entscheidet man in vielen Situationen deutlich riskanter.

Kein Spiel

Von einem Spiel zu sprechen, wäre bei THIS WAR OF MINE: THE LITTLE ONES falsch. Der Terminus Simulation kommt dem Ganzen vermutlich näher. Gerade für Shooter-Fans sollte es Pflicht sein, THIS WAR OF MINE zu erleben. Einmal die sonst sträflich vernachlässigte Perspektive der Zivilbevölkerung in einer Kriegssituation einzunehmen, würde vielen adoleszenten virtuellen Kriegsgurgeln gut tun.

Inspiriert wurden die Macher übrigens von der vierjährigen Belagerung Sarajevos, bei der über 10’000 Menschen ihr Leben verloren, darunter 1500 Kinder.

Eine Wertung nehme ich für einmal nicht vor. Aber ich empfehle jedem ambitionierten Videospielfan, sich auf die Erfahrung von THIS WAR OF MINE: THE LITTLE ONES einzulassen.

Titel: This War of Mine: The Little Ones

Plattform: PS4 (exklusiv)

PEGI: Ab 18 Jahren

Preis: ca. 35 Franken

 

Das Cover

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