Die beiden Autospielreihen «Gran Turismo» und «Forza Motorsport» buhlen seit sechs Jahren um die Gunst virtueller Autofans. 2010 legte Sony mit «Gran Turismo 5» die Messlatte hoch. Nun ist ist Microsofts «Forza Motorsport 4» auf der XBox360 erschienen – und toppt alles.
Forza Motorsport: Vergöterung des Autos (Bild: Stephan Herzog)
Als prominente Unterstützung holten sich die «Turn 10» Studios das Team der legendären britischen Autosendung Top Gear an Bord. Kaum ist die Disc eingelegt, begrüsst mich Top Gear Starmoderator Jeremy Clarkson mit den Worten «We are an endangered species, you and I…».
Schnell wird klar: Hier werden Autos zelebriert, nicht bloss präsentiert: Das Auto als Religionsersatz. Ich fühle mich mässig angesprochen, bin aber dennoch angetan von der hübschen Präsentation. Noch bevor das Hauptmenu erscheint, gibt’s einen Vorgeschmack: An Bord eines schmucken Ferrari rase ich eine Runde durch die Schweiz. Lauterbrunnen heisst die Strecke, die Alpen thronen majestätisch im Hintergrund und während ich mit Vollgas über eine Kuppe rase und sich dahinter in der Ferne das Mittelland von seiner schönsten Seite präsentiert, verschwimmen für einen Augenblick die Grenzen zwischen Spiel und Realität. Wow! Selbst der bisherige Platzhirsch Gran Turismo kann hier nicht mehr mithalten…
Das Vorspiel war clever: Ich weiss jetzt, was Forza Motorsport drauf hat, muss mich aber vorerst mit der Gurkenliga begnügen. Ein popeliger untermotorisierter VW Fox ist mein erster Wagen und dümpelt gemächlich über die Rennstrecke. Die wirklich schicken Wagen und Klassen wollen nämlich erspielt werden. Also geht es Schritt für Schritt weiter- die Strecken werden anspruchsvoller und nach ein paar Stunden darf man sich endlich in einen Bugatti Veyron und andere Luxuskarossen setzen und mit über 300 km/h virtuelles Benzin in Hektoliterdimensionen verheizen. Die künstlichen Gegner sind ziemlich schlau, machen aber auch ab und zu mal einen Fehler, was das Ganze einigermassen realistisch wirken lässt.
Forza Motorsport: Benzin-Orgien ohne schlechtes Gewissen (Bild: PD)
Ein eher spezielles Feature im Spiel ist „Autovista“. Ein veritables Auto-Sexkino oder besser gesagt, ein Auto-Sex-Showroom. Etwa 25 Fahrzeuge dürfen in perfekter Grafik modelliert frei begutachtet werden. Alle Türen, Kühlerhauben und Kofferraumdeckel dürfen geöffnet werden. Ich schaue mir den neuen Mercedes SLS AMG an und nehme auf dem Fahrersitz Platz. Kleine Icons signalisieren zusätzliche Informationen. Ich drehe den Zündschlüssel und Jeremy Clarkson erklärt mir, wieso dieses Auto eines der besten Autos der Welt sein soll.
Clarkson ist höchst geistreich und witzig- ohne ihn wäre Autovista wohl kaum erträglich. Die unglaublich detaillierten Fahrzeugmodelle sind beeindruckend. Das ist aber auch schon alles, was Autovista zu bieten hat. Nicht-Autoanbeter wie ich werden sich wohl bald wieder dem eigentlichen Spiel zuwenden.
Was mich tief beeindruckt hat: Die Unterstützung der Bewegungssteuerung KINECT. Das Spiel kann nämlich komplett ohne Controller gespielt werden. Ich halte die Hände vor mich, „steuere“ in der Luft und das Spiel reagiert. Und das sogar noch ziemlich zeitgleich. Really nice! Was aber wirklich cool daherkommt: Der Sensor erkennt meine Kopfbewegungen. Spiele ich aus der Cockpitperspektive und drehe den Kopf nach links, tut es mir mein virtuelles alter Ego gleich. Sogar eine leichte Kopfneigung wird sogleich umgesetzt. Hier wird KINECT sinnvoll eingesetzt und verkommt erfreulicherweise nicht zum nutzlosen Gimmick.
Anhänger der Religion „Auto“ dürften das Spiel bereits in ihre Konsole geklebt haben, während sie diese Zeilen lesen, bereut haben sie es sicherlich nicht. Alle anderen bekommen für den Kaufpreis das derzeit wohl beste Autorennspiel auf dem Markt.
Für die XBOX360. Ab 3 Jahren. Preis ca. 89 Franken.