Im September stimmen wir ab, ob Tankstellenshops rund um die Uhr Lebensmittel verkaufen dürfen.
In der Autobahn-Raststätte Pratteln geschieht das bereits. Jetzt wird das Kantonale Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit aktiv.
Nachts um 22 Uhr im BP Tankstellenshop in der Autobahnraststätte Pratteln-Süd an der A2. Ein paar Kunden kaufen Zigaretten, Schokolade oder eine Packung Teigwaren.
So weit ist alles in Ordnung: Bis 1 Uhr darf das ganze Sortiment angeboten werden. Danach dürfen bis 5 Uhr nur noch Fertigprodukte wie Kaffee und Sandwiches verkauft werden, andere Artikel wie etwa Tiefkühlpizzas jedoch nicht. Am 22. September entscheiden die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger in einem Referendum, ob diese Einschränkungen für Tankstellenshops an Autobahnen und an Hauptverkehrsstrassen aufgehoben werden sollen oder nicht.
Das ganze Sortiment wird verkauft
Welchen Teil des Sortiments deckt der Verkäufer also in der Nacht ab? Der junge Mann zuckt mit den Schultern. «Gegenüber der Presse dürfen wir keine Auskunft geben», sagt er. Auch der Chef lässt telefonisch ausrichten, er sage nichts, er verweist an die Zentrale der Shop-Betreiberin Autogrill in Olten. Dann macht der Shop-Verkäufer aber klar, dass auch nachts das ganze Sortiment feilgeboten wird – also auch Teigwaren und Reis, die gut sichtbar in einem Regal stehen.
Das gleiche Bild auch auf der andern Seite der Autobahnbrücke, im Tankstellenshop an der Fahrspur Richtung Basel. Hier werden Fischstäbchen und Tiefkühlpizzas angeboten. Die Verkäuferin sagt, dass auch zwischen 1 und 5 Uhr in der Nacht das ganze Sortiment zum Verkauf stehe. Dies ist nach bisheriger Regelung nicht erlaubt.
Ist es möglich, dass Autogrill, die Betreiberin der beiden Tankstellenshops in Pratteln, sich um die geltenden rechtlichen Bestimmungen und um die Volksabstimmung am 22. September foutiert?
Nach mehreren Anläufen ist zwei Tage später schliesslich doch noch jemand von Autogrill Schweiz für eine Stellungnahme zu erreichen: Maximilian Schiedt, Marketingleiter und Mitglied der Geschäftsleitung. Er ist gerade im Auto unterwegs. «Selbstverständlich bieten wir unser ganzes Sortiment auch in der Nacht an», sagt er nach einigem Hin und Her. Das Angebot sei allerdings klein, und die Shops stünden auf einer wichtigen Verkehrsachse. «Wir machen nichts Illegales», sagt Schiedt. Gerne hätten wir ihn noch gefragt, ob es nicht etwas voreilig sei, etwas zu praktizieren, worüber das Volk erst noch abstimmen muss. Doch da reisst die Telefonverbindung ab.
Behörden eröffnen Kontrollverfahren
Das Kantonale Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit (Kiga) Baselland hat ein Kontrollverfahren gegen die Betreiberin der beiden Tankstellenshops in der Autobahnraststätte Pratteln eröffnet. Im Fokus der Behörde stand aber bisher nicht das Sortiment, sondern die Frage, ob die beiden Shops überhaupt rund um die Uhr geöffnet sein und damit auch Arbeitnehmende zwischen 1 und 5 Uhr beschäftigen dürfen. Dazu braucht es eine Bewilligung des Bundes.
«Wir hatten bisher keine Kenntnis davon, dass die Tankstellenshops auch Tiefkühlprodukte wie Pizzas und Fischstäbchen rund um die Uhr anbieten», sagt Margot Zwicky von der Abteilung Arbeitsrecht und Arbeitnehmerschutz beim Kiga. Konfrontiert mit der Recherche der TagesWoche will das Amt diesen Punkt im laufenden Verfahren auch einbeziehen. Im Fokus des Kiga steht gemäss Zwicky aber vor allem der Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
Die Stimmbürger entscheiden
Gegen die vom Parlament beschlossene Liberalisierung der Öffnungszeiten von Tankstellenshops hat die sogenannte Sonntagsallianz, bestehend aus Gewerkschaften, Kirchen und linken Parteien, das Referendum ergriffen. Sie befürchtet einen Dammbruch. Tatsächlich gibt es auf eidgenössischer Ebene mehrere Vorstösse, die weitere Liberalisierungsschritte fordern. So möchten die Grünliberalen die Öffnungszeiten für alle kleineren Läden generell freigeben.Insgesamt gibt es in der Schweiz rund 1350 Tankstellenshops. Laut aktueller Zählung der NZZ sind aber nur 24 rund um die Uhr geöffnet, für die meisten der Shops lohnt sich dies nicht. Das Volk steht längeren Ladenöffnungszeiten generell skeptisch gegenüber. Im Frühjahr wurde eine entsprechende Vorlage im Kanton Basel-Stadt mit 60 Prozent Nein klar abgelehnt.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 05.07.13