Auf Timea Bacsinszky wartet im Viertelfinal des French Open der ultimative mentale Test: ein Spiel gegen die Französin Kristina Mladenovic und ein Stadion voller heissblütiger Fans.
Titelverteidigerin Garbiñe Muguruza verliess den zweitgrössten Court Suzanne-Lenglen am Pfingstsonntag mit Tränen in den Augen. Die Niederlage gegen die als Nummer 13 gesetzte Mladenovic war nur schwer zu verdauen. Sie beklagte sich danach über die Zuschauer, die immer wieder für Verzögerungen gesorgt und Fehler der Spanierin beklatscht hatten. «Ich möchte lieber nicht zu viel sagen, aber es war hart», sagte sie. «Ich liebe es hier, aber manchmal hätten sie schon ein wenig mehr Respekt zeigen können.» Deutlicher wurde Muguruzas französischer Coach Sam Sumyk. Er twitterte: «An das französische Publikum: Jämmerlich, absolut keine Klasse!»
Timea Bacsinszky weiss also, was sie heute auf dem Centre Court (um 14.00 Uhr) wohl erwarten wird. «Damit muss ich umgehen können», ist sie sich bewusst. Von Mladenovic muss sie keine Hilfe erwarten. «Es ist doch super, wenn sich die Zuschauer amüsieren», meinte die 24-jährige Französin, die im Jahresranking den 5. Platz belegt. «Ich fand es nicht speziell unfair.» Mit Bacsinszky hat sie sowieso noch eine Rechnung offen. Im Fedcup-Viertelfinal in Genf verlor die Französin im Februar einen spektakulären Dreisatz-Krimi – und beklagte sich in der Folge darüber, dass die Schweizerin am Fedcup in beiden Spielen eine medizinische Pause nahm. «Ich habe ein reines Gewissen», betonte Bacsinszky jedoch einmal mehr. «Erst wurde ich von einer Wespe gestochen, gegen Mladenovic verdrehte ich mir das Knie. Ich wollte sicher gehen, dass nichts passiert war.»
«Ein grosser Spass»
Unabhängig vom Publikum erwartet die Waadtländerin, die am Donnerstag 28-jährig wird, eine schwierige Partie. «Kristina spielt sehr komplett und intelligent», ist sie sich bewusst. «Aber ich habe durchaus das Spiel, um ihr wehzutun.» Dass die Form – einmal mehr in Paris – stimmt, zeigte Bacsinszky mit ihrem glänzenden Auftritt am Sonntag gegen Venus Williams. Zwar vergab sie gegen die Nummer 10 des Turniers und siebenfache Grand-Slam-Siegerin im ersten Satz eine 5:1-Führung, liess sich aber nicht beirren und setzte sich nach knapp zweieinviertel Stunden 5:7, 6:2, 6:1 durch.
In diesem Spiel auf dem Centre Court hatte sie das Publikum komplett auf ihrer Seite. «Es war geradezu unwirklich, meinen Namen auf einem so grossen Platz bei einem so grossen Event so oft zu hören.» Gegen Mladenovic wird sie sich an eine andere Atmosphäre gewöhnen müssen – sozusagen vom Himmel der Bewunderung in den Hexenkessel mit der lokalen Favoritin als Antagonistin. Ein Vorteil für Bacsinszky könnte sein, dass die Partie auf dem Centre Court, wo die Zuschauer meist etwas zurückhaltender sind, und nicht auf dem zweitgrössten Court Suzanne-Lenglen stattfindet.
«Ich bin sicher, dieses Spiel wird ein grosser Spass», freut sich Bacsinszky. Die zweite Halbfinalqualifikation nach 2015 scheint auf jeden Fall möglich.