Sein Schicksal bewegt seit Monaten die Weltöffentlichkeit. Nun erkannte das Europaparlament dem zu zehn Jahren Haft und 1000 Stockhieben verurteilten saudi-arabischen Blogger Raef Badawi den diesjährigen Sacharow-Preis für Meinungsfreiheit zu.
Der Präsident des EU-Parlaments, Martin Schulz, würdigte Badawi am Donnerstag als «mutigen und vorbildlichen Mann». Die 1000 Stockhiebe, zu denen Badawi wegen angeblicher Beleidigung des Islams verurteilt worden ist, nannte Schulz «brutale Folter».
Er forderte den saudi-arabischen König auf, «Badawi unverzüglich zu begnadigen und freizulassen, damit er den Preis entgegennehmen kann». Die Verleihung des mit 50’000 Euro dotierten Sacharow-Preises ist für den 16. Dezember in Strassburg vorgesehen.
Der heute 31-jährige Badawi war 2014 zu zehn Jahren Haft und 1000 Stockhieben verurteilt worden. Auf seinem Blog hatte er zuvor die Trennung von Staat und Religion vorgeschlagen – eine schwere Provokation im streng religiösen Königreich.
Ideen-Plattform
Badawi hatte 2008 gemeinsam mit einer saudi-arabischen Aktivistin für Frauenrechte den Blog «Free Saudi Liberals» gegründet – eine Plattform zum Austausch von Ideen zu Politik, Religion und Gesellschaft. Den Behörden des ultrakonservativen Königreichs war dieses Forum von Anfang an ein Dorn im Auge.
2009 wurde gegen den Blogger ein Ausreiseverbot verhängt, ausserdem wurde sein Bankkonto gesperrt. Im Juni 2012 wurde Badawi festgenommen, ein Jahr später erging das erste Urteil gegen ihn: Sieben Jahre Haft und 600 Stockhiebe wegen Beleidigung des Islam.
Ihm wird vorgeworfen, in seinem Blog wiederholt die Religionspolizei für die harte Durchsetzung der in dem wahhabitischen Königreich vorherrschenden strengen Auslegung des Islams kritisiert zu haben.
Baldige Fortsetzung der Prügelstrafe befürchtet
Ein Appellationsgericht verschärfte die Strafe im Mai 2014 noch – auf zehn Jahre Haft, 1000 Stockhiebe und eine Geldstrafe von einer Million Rial (rund 263’000 Franken). Im vergangenen Januar erhielt Badawi vor einer Moschee die ersten 50 Stopckhiebe. Dabei wurde er so schwer verletzt, dass die Schläge bis auf weiteres ausgesetzt wurden – wohl auch wegen des weltweiten Aufschreis gegen die barbarische Strafe.
Doch nun, so befürchtet seine Frau Ensaf Haidar, könnte dem 31-Jährigen schon bald die nächste öffentliche Prügelstrafe bevorstehen. Dies habe sie aus von einer «informierten Quelle» erfahren, berichtete Haidar am Dienstag in Kanada. Dorthin war sie vor zwei Jahren mit den zwei Töchtern und dem Sohn vor den Repressalien der saudi-arabischen Behörden geflüchtet. Der Oberste Gerichtshof Saudi-Arabiens hatte das Urteil gegen Badawi am vergangenen 7. Juni bestätigt.
Haidar äusserte die Hoffnung, dass der Preis ein positives Signal für die Freilassung ihres Ehemannes aussenden würde. «Ich hoffe, der Preis wird ihn aufheitern. Als ich vor sechs Tagen mit ihm telefonierte, war er in keiner besonders guten Verfassung».
Haidar beschreibt ihren Mann als zärtlichen Vater und Büchernarren. Badawi habe zunächst eine englischsprachige Computerschule betrieben, seine wahre Berufung sei aber das Schreiben gewesen. «Er setzte sich für Dialog zwischen den Menschen ein. Er wollte Meinungsfreiheit und Rechte für Frauen und für alle Menschen.»