BAG will sich mit Genfutter-Studie beschäftigen

Mit Genmais gefütterte Ratten erkranken einer umstrittenen französischen Studie zufolge oft an Krebs und sterben im Schnitt früher als ihre Artgenossen. Nicht beteiligte Forscher äussern jedoch Zweifel an den Methoden und Ergebnissen der Studie. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) will die Studie prüfen und bewerten.

Ein genmanipulierter Reiskolben auf einem Feld in Deutschland (Symbolbild) (Bild: sda)

Mit Genmais gefütterte Ratten erkranken einer umstrittenen französischen Studie zufolge oft an Krebs und sterben im Schnitt früher als ihre Artgenossen. Nicht beteiligte Forscher äussern jedoch Zweifel an den Methoden und Ergebnissen der Studie. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) will die Studie prüfen und bewerten.

Viele der Tiere hätten auch schwere Schäden an Leber und Nieren davongetragen, erklärte Autor Gilles-Eric Séralini von der Universität von Caen. Er stellte die Studie, die in der Fachzeitschrift „Food and Chemical Toxicology“ veröffentlicht wurde, am Mittwoch in London vor.

Die Wissenschaftler hatten Ratten mit dem genetisch veränderten Mais NK603 des US-Agrarriesen Monsanto oder mit Wasser gefüttert, in dem das erfolgreiche Pestizid Roundup des Konzerns enthalten war – und zwar in einer Konzentration, die in den USA erlaubt ist.

NK603 ist durch genetische Veränderungen gegen Roundup resistent. Der Studie zufolge starben 50 Prozent der männlichen Ratten und 70 Prozent der weiblichen Ratten mit Genmais-Futter einen frühzeitigen Tod – in der Kontrollgruppe mit anderer Nahrung waren es lediglich 30 beziehungsweise 20 Prozent.

Keine voreiligen Schlüsse

Nicht an der Studie beteiligte Experten warnten vor voreiligen Schlüssen. Tom Sanders, der am King’s College in London die Abteilung Lebensmittelforschung leitet, bemängelte, dass die Forscher viele Angaben schuldig geblieben seien – etwa genaue Details zur Nahrung der Ratten oder zu ihrem Wachstum.

Zudem sei die in dem Versuch verwendete Rattenart dafür bekannt, unter bestimmten Umständen eine hohe Anfälligkeit für Brustkrebs zu haben – daran waren viele Ratten in der Studie erkrankt. Zudem seien die statistischen Methoden „unkonventionell“.

Mark Tester vom Australian Centre for Plant Functional Genomics von der Universität von Adelaide warf die Frage auf, warum die Ergebnisse der französischen Studie so drastisch von zahlreichen anderen Untersuchungen abweichen.

„Wenn der Effekt wirklich so ernst ist wie behauptet und auch Menschen betrifft, warum sterben die Amerikaner dann nicht wie die Fliegen?“ Genmais befinde sich seit mehr als zehn Jahren in US-Lebensmitteln, und dennoch steige die Lebenserwartung dort unvermindert an, erklärte Tester.

BAG will Studie prüfen

Zur Vorsicht bei der Interpretation der Studie mahnt auch Wilhelm Gruissem, Professor für Pflanzenbiotechnologie an der ETH Zürich: „Erst sollte die wissenschaftliche Integrität der Studie geprüft werden.“

Genau das will das BAG tun: „Das BAG hat die Veröffentlichung der genannten Studie zur Kenntnis genommen. Es wird die Studie prüfen und bewerten“, teilte das Amt der Nachrichtenagentur sda mit. Gentechnisch veränderter Mais NK603 sei in der Schweiz weder als Lebensmittel noch als Futtermittel bewilligt.

Der Autor der Studie, Gilles-Eric Séralini, hat offenbar eine Geschichte als Biotech-Kritiker. „Einige der Forscher hinter der Studie sind eng mit Anti-GVO-Aktivistengruppen verbunden“, schreibt EuropaBio, die Europäische Gesellschaft der Bioindustrien, in einer Stellungnahme zur Studie.

Heftige Reaktionen in Frankreich

In Frankreich, wo der Anbau von GVO verboten ist, liess die Studie die Gentech-Debatte wieder aufflammen. Der französische Landwirtschaftsminister Stéphane Le Foll plädierte kurz nach der Veröffentlichung für eine „starke Verschärfung der Zulassungsverfahren“ für gentechnisch veränderte Organismen (GVO).

Der bekannte GVO-Gegner und grüne Europa-Parlamentarier José Bové verlangte in Brüssel, sofort die Genehmigungen für die Freisetzung und den Import von GVO zu suspendieren. „Diese Studie zeigt endlich, dass wir recht haben und dass die GVO dringend neu evaluiert werden müssen“, teilte er gemäss der Nachrichtenagentur afp mit.

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