Der flüchtige mutmassliche Bankdatendieb Hervé Falciani muss sich nach Informationen der «Neuen Zürcher Zeitung» ab dem 12. Oktober vor dem Bundesstrafgericht in Bellinzona verantworten.
Dem ehemaligen Informatiker bei der Schweizer Tochter der Bank HSBC in Genf wird wirtschaftlicher Nachrichtendienst vorgeworfen. Zudem werden Falciani die Verletzung des Geschäftsgeheimnisses, Bankgeheimnisverletzung sowie unbefugte Datenbeschaffung zur Last gelegt.
Laut der Anklageschrift der Bundesanwaltschaft (BA) soll Falciani bei seinem ehemaligen Arbeitgeber Daten kopiert und sie privaten Unternehmen und den Behörden anderer Staaten weitergegeben haben, darunter etwa an die französische Steuerbehörde.
Der französisch-italienische Doppelbürger soll die Daten ab Oktober 2006 bis zu seiner Befragung im Dezember 2008 auf eigene Datenträger kopiert haben. Falciani hat laut der BA auf diese Art persönliche und finanzielle Informationen über Bankkunden zusammengetragen.
Im Ausland ein Held
Der Fall, der international für Aufsehen sorgte, kam mit einem Hinweis ins Rollen, wonach ein Mann und eine Frau versucht hatten, Bankdaten im Libanon zu verkaufen. Die BA eröffnete im Mai 2008 ein Strafverfahren.
Erst im Dezember 2008 wurde im Zuge von Hausdurchsuchungen in Genf die Identität des mutmasslichen Datendiebs gelüftet. Falciani floh nach einer Befragung ins Ausland und wurde dort vielerorts als Held gefeiert.
2009 wurde Falciani international zur Verhaftung ausgeschrieben. Im Sommer 2012 wurde er in Barcelona verhaftet. Nach wenigen Monaten in Auslieferungshaft wurde Falciani wieder entlassen. Im Mai 2013 entschied der spanische Gerichtshof, den Mann nicht an die Schweiz auszuliefern.
Die französischen Steuerbehörden nutzten Falcianis Daten, um gegen französische Steuerflüchtlinge vorzugehen. Als dies bekannt wurde, führte dies zu einer Krise zwischen Bern und Paris.
Der Streit wurde aber beigelegt. Frankreich willigte ein, die Daten zurückzugeben. Im Februar 2012 entschied die französische Justiz, dass die gestohlenen Daten nicht als Beweis gegen Steuersünder verwendet werden dürfen.
Urteil in Abwesenheit?
Der Prozess gegen Falciani soll bis am 20. Oktober dauern, wie das Bundesstrafgericht mitteilte. Der ehemalige Informatiker hatte nach der Anklageerhebung über verschiedene Medien angekündigt, vor Gericht erscheinen zu wollen. Es gehe ihm darum zu zeigen, dass die Schweizer Gesetze die Interessen ein paar weniger Financiers schützten und nicht jene der Schweizer Bürger, hatte er dies begründet.
Ob Falciani tatsächlich zu den Terminen erscheinen wird, ist aber unklar. Bleibt der Angeschuldigte fern, wird zunächst eine neue Verhandlung angesetzt. Sollte Falciani auch dann nicht erscheinen, wird er im Abwesenheitsverfahren beurteilt.