Die italienische Parlamentswahl hat für Silvio Berlusconi mit einem Schrecken begonnen. Drei barbusige Frauen stürzten auf den früheren Ministerpräsidenten zu, als dieser in Mailand seine Stimme abgeben wollte. Auf dem Rücken trugen die drei Frauen den Slogan «Basta Berlusconi» (Genug von Berlusconi).
In dem chaotischen Durcheinander mit weinenden Kindern und Schreien des Protests gegen den Ex-Regierungschef vergingen nur wenige Sekunden, bis die drei Frauen von Polizisten mit Jacken bedeckt und in Handschellen abgeführt wurden.
Die drei Frauen standen in einer wartenden Menge vor dem Wahllokal in Mailand, vor dem sich auch zahlreiche Journalisten versammelt hatten. Dann brachen die Protestierenden durch die Reihen und sprangen über mehrere Tische, um Berlusconi zu erreichen, was ihnen jedoch nicht gelang.
Berlusconi polarisiert die italienischen Wähler seit vielen Jahren, unter anderem auch durch seine Affären mit jungen Frauen, sexistischen Sprüchen und durch ausschweifende Partys.
50 Millionen Italiener sind bis Montag aufgerufen, das Abgeordnetenhaus und den Senat neu zu bestimmen. Die Wahl fällt in eine Zeit anhaltender tiefer Rezession und drohender politischer Instabilität.
Bersani als Favorit
Die Finanzmärkte und europäische Politiker befürchten eine Unregierbarkeit des Krisenlandes ohne stabile Mehrheit oder auch eine Rückkehr des umstrittenen Ex-Regierungschefs Berlusconi. Auftrieb hatte in der Schlussphase des Wahlkampfs jedoch vor allem die populistische Protestbewegung «Fünf Sterne» des Komikers Beppe Grillo.
Als Favorit gilt das Mitte-links-Bündnis um Spitzenkandidat Pier Luigi Bersani. Grillo und das Mitte-rechts-Lager Berlusconis schienen sich vor dem Urnengang ein Rennen um den zweiten Rang zu liefern. Das Bündnis der Mitte des Ex-EU-Kommissars und früheren Regierungschefs Mario Monti droht abgeschlagen als viertstärkste Kraft aus den Wahlen hervorzugehen.
Patt befürchtet
Finanzmärkte und europäische Politik setzen auf eine Koalition Bersanis mit Monti, die den eingeschlagenen Reformkurs fortsetzen wollen. Berlusconi und Grillo vertreten hingegen eher eine europakritische Haltung.
Im Senat könnte es ein Patt der politischen Bündnisse geben. Die Wahlen waren leicht vorgezogen worden, nachdem der parteilose Regierungschef und Reformer Monti im Dezember von seinem Amt zurückgetreten war.
Die Wahllokale schliessen am Sonntag um 22 Uhr und sind am Montag nochmals von 7 Uhr bis 15 Uhr geöffnet. Mit aussagekräftigen Hochrechnungen wird am Montagabend gerechnet.
Neben den Parlamentswahlen werden auch Regionalwahlen in drei Regionen – Lombardei, Latium mit der Hauptstadt Rom und Molise – durchgeführt. Die Parlamente dieser drei Regionen waren in den vergangen Monaten wegen Korruptionsaffären aufgelöst worden.