Zwei Männer, die die klassische Musik geprägt haben, haben am Freitagabend das Lucerne Festival eröffnet: Daniel Barenboim als Festredner, Claudio Abbado als Dirigent des Lucerne Festival Orchestras.
Seit 2003 eröffnet der italienische Maestro mit dem damals gegründeten festivaleigenen Orchester das Luzerner Klassik-Festival. Der Klangkörper, dem auch bedeutende Solisten und Kammermusiker angehören, zeichne Luzern in der weiten Landschaft der Sommerfestspiele aus, sagte Barenboim in seiner Eröffnungsrede gemäss Redetext.
Die Konzerte mit Abbado sind in Luzern begehrt. Der Eröffnungsanlass im KKL Luzern wurde deswegen live auf einer Grossleinwand im Inseli-Park ausgestrahlt, und am Samstag spielt das Orchester ein zweites Mal das Eröffnungsprogramm, zu dem Werke der Erneuerer Ludwig van Beethoven und Arnold Schönberg sowie des vermeintlich Konservativen Johannes Brahms gehören.
Keinen Staub angesetzt
Das Festival nahm mit diesen den musikalischen Fortschritt ansprechenden Werken ein erstes Mal sein diesjähriges Motto «Revolution» auf. Mit diesem will der Klassikanlass, der sein 75-jähriges Bestehen feiert, zeigen, dass er trotz seines Alters sein Augenmerk auf Erneuerung richten will.
Den Grundstein für das heutige Lucerne Festival hatte Arturo Toscanini 1938 mit einem Konzert in Luzern gelegt. Toscanini, der den italienischen und deutschen Faschismus ablehnte, habe damit seine Haltung ausgedrückt, dass Musik nicht ausserhalb der Gesellschaft existiere, sagte Barenboim.
Barenboim wies auch darauf hin, dass Toscanini 1936 die Gründungskonzerte des Palestine Philharmonic Orchestras leitete, ein Orchester, das aus jüdischen Einwanderern aus Mitteleuropa bestanden habe. Heute heisse dieses Israel Philharmonic Orchestra.
Historisches Bewusstsein
Barenboim ist am Festival mit seinem West-Eastern Divan Orchestra zu Gast, ein Orchester, dem junge Juden, Moslems und Christen angehören. Er sagte, der Grundgedanke des Orchesters sei die tiefe Überzeugung, dass es keine militärische Lösung für den Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern geben könne.
Barenboim zeigte sich überzeugt davon, dass ohne historisches Verständnis die Gegenwart und die Zukunft nicht gerecht gestaltet werden könne. Aufgrund der Vergangenheit sei es notwendig, dass dem palästinensischen Volk Gerechtigkeit widerfahre.
Barenboim verknüpfte auch das Festivalthema Revolution mit dem historischen Bewusstsein. Um zu wissen, wie die Zukunft werden solle, brauche es eine fundierte Kenntnis der Vergangenheit. Eine Revolution sei im positiven Sinne eine radikalisierte Evolution und keine chaotische Aktion, genauso wie Freiheit nicht mit Anarchie gleichzusetzen sei.
Musik als Schule für das Leben
Barenboim ging auch auf die Bedeutung der Musik im Leben ein. Durch das Musizieren könne man lernen, mit Konflikten umzugehen, etwa mit dem zwischen Leidenschaft und Disziplin. Dem pflichtete Bundesrätin Simonetta Sommaruga – sie ist wie Barenboim auch Pianistin – in ihrer Grussbotschaft bei.
Musiker müssten spielen und zuhören können, sagte die Justizministerin gemäss Redetext. Genau das zeichne auch den guten Politiker aus. Solisten würden scheitern, wenn sie nicht bereit seien, mit dem Orchester im Dialog zu bleiben. Das gleiche gelte für das Funktionieren des politischen Systems der Schweiz.