Basel hat vier neue Filmpreisträger

Herzlich ermutigend, sachdienlich und mit puritanischem Glanz ging die Preisverleihung über die Bühne des Schauspielhauses. Der Filmpreis blieb, was er sein soll: Eine Ermutigung für jene, auf die sonst kaum Scheinwerfer gerichtet werden. Cogito ergo Zoom Die Jury des diesjährigen Basler Filmpreises hat gewählt. Seraina Rohrer, Michael Sennhauser und Simon Aeby haben die Qual der […]

Von Links: Christoph Oertli, Brigitte Fässler, Ares Ceylan, Frank Matter

Herzlich ermutigend, sachdienlich und mit puritanischem Glanz ging die Preisverleihung über die Bühne des Schauspielhauses. Der Filmpreis blieb, was er sein soll: Eine Ermutigung für jene, auf die sonst kaum Scheinwerfer gerichtet werden.

Cogito ergo Zoom

Die Jury des diesjährigen Basler Filmpreises hat gewählt. Seraina Rohrer, Michael Sennhauser und Simon Aeby haben die Qual der Wahl elegant begründet: Sie haben sich mit ihren Prämierungen konsequent an den durch die Werke selbst erklärten Absichten orientiert. Die vier derart herausragenden Filme wurden am Samstag Abend im Schauspielhaus ausgezeichnet. Dass von offizieller Basler Seite (abgesehen vom abtretenden Peter Stohler) niemand anwesend war, wurde als Zeichen gewertet: Immerhin wurden weder politischen Absichtserklärungen noch neue Versprechungen verlautbart. Es bleibt bei der kargen Finanzlage. Die Basler Filmemacher stehen weiterhin im Abseits. Aber auch in Abseitsposition glücken den Künstlern prächtige Tore. Kurz bevor auf dem Barfüsserplatz die Petarden zur Meisterfeier detonierten, wurden im Schauspielhaus vier leise Loblieder intoniert.

The Winners are … !

 

In der Kategorie Langfilm:

«Von Heute Auf Morgen» von Frank Matter

 In der Kategorie Kunstfilm:

«Campus» von Christoph Oertli

In der Kategorie Kurzfilm:

«Schulanfang, Achtung Kinder» von Ares Ceylan

In der Kategorie Spot/Clip:

«Ils sont fous»von Brigitte Fässler


Basler Filme im Fokus

Während zweier Tage konnten die Filmfreundinnen im Atelier die Auslese der diesjährigen Basler Filme in Augenschein nehmen. Es sind, wie jedes Jahr, überraschend viele Filme vorgestellt worden, die in mehr oder weniger direktem Zusammenhang mit der in Basel tätigen Gruppe von Filmemachern und Produzenten stehen. Vor allem die Dokumentarfilme, die für den Wettbewerb in der Kategorie «Langfilm» nominiert waren, machten neugierig: Der Bogen der künstlerischen Absichten war hierbei – wie immer – weit gespannt.

Einerseits war da die dramaturgisch geschickt montierte TV-Dokumentation von Sören Senn zu sehen, über den lebenslustigen Privatbankier Ernst Brunner und dessen gespaltene Persönlichkeit: «Der Krösus von Luzern» ist eine TV-Montage von Zeitdokumenten der Schweizer Hautevolée mit persönlichen Konfrontationen, die einen Blick hinter die Fassade der lebenslustigen Neureichen der Siebzigerjahre gewährt.

Heraus stach das Portrait eines anderen Filous: Des russischen Filmemachers Viktor Kossakovsky. Er ist ebenso ein Lufttänzer, wie Brunner. Seine Visionen plündern nicht die Geldbeutel der Gutgläubigen, sie öffnen den Ungläubigen die Augen. «Where the Condors Fly» ist das atemlose Tagebuch eines Besessenen, das uns nicht nur mit all den Mühen des Filmemachens verführt, sondern auch ganz nebenbei zwei Gegenpole der Erdkugel neu abstecken lässt – Patagonien und den Baikalsee. Es ist ein kleines Wunder, wie der chilenische Regisseur Carlos Klein diesem versponnenen Berserker so lange zu folgen vermochte. Ein noch grösseres Wunder ist es, dass der Basler Vadim Jendreyko diese ernstzunehmenden Spinner produziert hat.

Zwischen diese künstlerischen Polen lagen die anderen Langfilme: «Ein Stück Wahnsinn» von Gabriela Betschart und Anna Thommen begleitet Borderliner auf ihrem Weg in die Wirklichkeit zurück, zeigt, wie diese mit Theaterspiel wieder in der Wirklichkeit Fuss fassen.

Bissig, witzig und einfühlsam zugleich

Noch näher kam Frank Matter mit «Von Heute Auf Morgen» seinen betagten Hauptpersonen. In Allschwil gibt es, wie überall, Hilfsbedürftige, die vor der grossen Entscheidung stehen, wie sie ihr Leben zu Hause noch weiterführen können. Frank Matter ist es gelungen, die Pflegerinnen und die Betreuten in ihrem diffizilen Dialog einzufangen. Die Mitarbeitenden der Spitex, oft die letzten Engel der Wirklichkeit, sind auch eine Bedrohung: Sie können eine Abschiebung – so empfinden die Betagten den Übergang in ein Altersheim – noch hinauszögern helfen oder auch abrupt verordnen. Vier bissige, witzige und nachdenkliche Porträts weisen einen zunehmend komplexen Dialog aus, der dann beginnt, wenn einsame Menschen ihr eigenes Leben nicht mehr aus eigener Kraft meistern können.

Irgendwo zwischen allen Kategorien lagen die «Reines Prochaines» – wie immer – quer. Die Dokumentarfilmerin Claudia Wilke hat es geschafft, die Aktions-Künstlerinnen in ihren Bemühungen um Kunstfreie Zonen zu begleiten: Wer ihre vergnüglichen Konzerte in den Achzigerjahren verfolgte, wird in diesem Dokument ihre Anarchie gezähmt wiederfinden, wie auch ihre radikale Verweigerung.

Kurz aber knackig

Risikofreudiger, frischer und unfertiger präsentierten sich die kurzen Basler Filme: Felix Schafferts «Der Räuber», der am Gässli-Festival schon aufgefallen war, ebenso wie «Schritt für Schritt» von Morris Samuel boten filmisch überraschende Zugänge zu heiklen Themen wie Missbrauch und Paraplexie. Schrill schliesslich die Horrorparodie von Ares Ceylan, der mit seinem Mistery «Schulanfang, Achtung Kinder!» verblüffte.

Neben diesen Kategorien standen Clips und Kunstfilme vor einer eigenen Bewertung: Da werden die Lovebugs durch Simon Ramseier zu Actionhelden, die von einer Frau gerettet werden, zwei Frauen duellieren sich bei Lukas Gähwiler mit Mascara-Stiften in «Once Upon A Time», und in Brigitte Fässler verzichtet im Clip «Ils sont Fous» gekonnt auf Digitalisierung und setzt einen Rapper mit verblüffenden Mitteln immer neu in den Mittelpunkt.

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