Bauernverband zahlt nicht in Fonds für ehemalige Verdingkinder

Der Schweizer Bauernverband (SBV) will kein Geld an ehemalige Verdingkinder zahlen, die sich heute in finanzieller Notlage befinden. Er hat entschieden, sich nicht am kürzlich eingerichteten Soforthilfefonds für Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen zu beteiligen.

Jacques Bourgeois, Direktor des SBV (Archiv) (Bild: sda)

Der Schweizer Bauernverband (SBV) will kein Geld an ehemalige Verdingkinder zahlen, die sich heute in finanzieller Notlage befinden. Er hat entschieden, sich nicht am kürzlich eingerichteten Soforthilfefonds für Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen zu beteiligen.

SBV-Direktor Jacques Bourgeois bestätigte auf Anfrage eine entsprechende Meldung der «Zentralschweiz am Sonntag». Der Bauernverband halte es zwar für richtig, das Leiden dieser Personen anzuerkennen, sagte Bourgeois. «Aber unsere Organisation hat diese Politik von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen nicht beschlossen und hat auch selbst keine Kinder verdingt.»

Der Bauernverband sieht vielmehr den Bund, die Kantone und die Organisationen, die Kinder verdingt hatten, in der Pflicht. Den Missbrauch in diesem Bereich müsse man zwar anerkennen, doch könne man nicht «die ganze Welt beschuldigen», sagte Bourgeois.

7 bis 8 Millionen Soforthilfe

Bis über die Mitte des 20. Jahrhunderts hinaus wurden in der Schweiz zahlreiche Kinder aus armen Familien an Bauernbetriebe verdingt. Administrativ versorgt wurden Menschen noch bis zu Beginn der 1980er-Jahre.

Im letzten Oktober wurde beschlossen, einen Soforthilfefonds zu schaffen für Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen, die sich heute in einer finanziellen Notlage befinden. Der Fonds soll über insgesamt 7 bis 8 Millionen Franken verfügen; die ersten Zahlungen sollen diesen Herbst erfolgen.

Gespiesen wird der Fonds mit 5 Millionen Franken aus Lotteriegeldern, wie das Bundesamt für Justiz (BJ) Ende Januar bekannt gab. Weiter sollen sich auf freiwilliger Basis Kantone, Städte, Gemeinden, weitere Organisationen und Private daran beteiligen.

Weiterer Fonds geplant

Der Runde Tisch für die Betroffenen von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen hatte letzten Herbst die Einrichtung eines Soforthilfefonds empfohlen. Mittelfristig will der Runde Tisch zudem einen Härtefall- oder Solidaritätsfond einrichten. Die Grundzüge dazu will das Gremium an seiner nächsten Sitzung vom 21. März beraten.

Ziel des Runden Tischs, der im Frühling 2013 von Bundesrätin Simonetta Sommaruga eingesetzt worden war, ist die Aufarbeitung fürsorgerischer Zwangsmassnahmen in der Schweiz.

Sommaruga hatte sich vor knapp einem Jahr an einem Gedenkanlass in Bern im Namen des Bundesrates bei ehemaligen Verdingkindern und all jenen Menschen entschuldigt, die im vergangenen Jahrhundert Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen geworden sind.

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