Der Präsident des Baumeisterverbandes, Gian-Luca Lardi, kritisiert angesichts der Diskussion um den Inländervorrang die Gewerkschaften. Aus seiner Sicht hängt die relative hohe Zuwanderung bei der Bauwirtschaft auch mit dem Gesamtarbeitsvertrag (GAV) zusammen.
Vergangene Woche wurde eine Studie publik, nach der vier von fünf zugewanderten Arbeitnehmern keine gesuchten Fachkräfte sind. Dazu gehören unter anderem auch zugewanderte Bauarbeiter. Im Interview mit der «NZZ am Sonntag» räumt Lardi ein, dass die «Baubranche von der Einwanderungsproblematik betroffen» sei.
Es treffe aber nicht zu, dass inländische Arbeitnehmer gezielt durch ausländische ersetzt würden, sagte der Tessiner Bauunternehmer. Dazu müssten gleichzeitig der Ausländeranteil im Bauhauptgewerbe und die Arbeitslosigkeit ansteigen. «Beides trifft nicht zu.»
Dass es dennoch viele stellenlose Bauarbeiter gibt, hängt laut Lardi einerseits mit einer Reihe von Sonderfaktoren zusammen. Beispielsweise liessen sich Temporärangestellte wegen der hohen Mindestlöhne gerne als Bauleute registrieren, auch wenn sie dort nur wenige Monate gearbeitet hätten. Vielen arbeitslosen Bauleuten werde zudem mangels Vermittelbarkeit ein Branchenwechsel empfohlen.
Standard mit Nebenwirkungen
Andererseits trügen aber auch die Rahmenbedingungen zu dieser «Einwandererproblematik» bei. Der GAV-Standard sei mittlerweile so hoch, «dass unerwünschte Nebeneffekte die Folge» seien, sagte er.
Er nennt ein Beispiel: Wenn heute jemand seine Stelle verliere auf dem Bau und sich auf Jobsuche begebe, so sehe der GAV vor, dass ein potenzieller Arbeitgeber ihn in derselben Lohnklasse anstellen müsse, «unabhängig von seinem Potenzial». Mit 55 habe man auf dem Bau aber meist nicht mehr dieselbe Leistungsfähigkeit wie mit 30.
Lardi zeigt sich überzeugt: «Viele arbeitslose Arbeiter wären deshalb durchaus bereit, beim Lohn auch Abstriche in Kauf zu nehmen.» Arbeitgeber dürften sie aber in tieferen Klassen gar nicht einstellen. «Das System wird so zum Jobkiller.»
Lardi betont mehrmals, dass er weder gegen GAV noch Mindestlöhne sei. Mit Regulierungen könne man aber nicht unbegrenzt in den Markt eingreifen. Die deutlich höheren Saläre im Vergleich zu Europa liessen sich nur «bis zu einem gewissen Grad mit Erfolg verteidigen.»