Mit einem neuen Verfassungsartikel soll die medizinische Grundversorgung in der Schweiz gestärkt werden. Vertreterinnen und Vertreter aller grossen Parteien mit Ausnahme der SVP haben am Dienstag für ein Ja in der Abstimmung vom 18. Mai geworben.
Ein Ja sei wichtig, um die Stellung der Hausärzte und Kinderärzte zu stärken, sagte CVP-Nationalrat Christian Lohr (TG). Der Verfassungsartikel stärke aber generell die medizinische Grundversorgung, die auch von Apothekerinnen, Psychologen oder Physiotherapeuten erbracht werde.
Der geplante Verfassungsartikel ist ein Gegenvorschlag zur zurückgezogenen Volksinitiative „Ja zur Hausarztmedizin“, mit welcher sich Hausärztinnen und Hausärzte gegen sinkende Löhne wehrten.
Demonstranten in weissen Kitteln
Es sei ein ungewohntes Bild gewesen, als Tausende von aufgebrachten Hausärzten mit ihren weissen Kitteln vor dem Bundeshaus demonstriert hätten, stellte FDP-Ständerätin Christine Egerszegi (AG) fest. Das Fass zum Überlaufen gebracht habe der damalige Bundesrat Pascal Couchepin mit seinem Entscheid, die Labortarife zu senken.
Die Demonstration fand im April 2006 statt, die Hausärzte sammelten in kurzer Zeit 200’000 Unterschriften für eine Initiative. Weil in der Folge die Politik aktiv wurde, zogen sie die Initiative aber später zurück.
Hausärztetarif wird erhöht
Den Ausschlag für den Rückzug gab die Ankündigung von Bundesrat Alain Berset, den Tarif für Hausärzte auf Kosten der Spezialisten anzuheben. Seit 2013 hat der Bundesrat die Kompetenz, Tarife anzupassen, wenn sich die Tarifpartner nicht einigen können.
Berset ergriff auch andere Massnahmen. So soll mit Hilfe eines Masterplans, an dem Bund und Kantone mitarbeiten, die Aus- und Weiterbildung für Hausärztinnen und Hausärzte gestärkt werden.
Neuer Verfassungsartikel
In der Abstimmung geht es indes einzig um den Verfassungsartikel. In der Bundesverfassung soll verankert werden, dass Bund und Kantone für eine ausreichende, allen zugängliche medizinische Grundversorgung von hoher Qualität sorgen und die Hausarztmedizin als wesentlichen Bestandteil dieser Grundversorgung fördern.
Weiter schreibt der Artikel vor, dass der Bund Vorschriften über die Aus- und Weiterbildung sowie die Anforderungen für Berufe der medizinischen Grundversorgung erlässt. Der Bund soll ausserdem Vorschriften über die angemessene Abgeltung der Leistungen der Hausärztinnen und Hausärzte erlassen.
Drohender Hausärztemangel
Am 18. Mai brauche es ein deutliches Bekenntnis, damit die Grundversorgung auch für die kommenden Generationen gesichert sei, argumentieren die Befürworterinnen und Befürworter. In den kommenden zehn Jahren werde die Hälfte der Haus- und Kinderärzte pensioniert, sagte Yvonne Gilli, Hausärztin und Nationalrätin der Grünen (SG).
Ideal sei eine Hausärztin pro 1000 Einwohner. Um dieses Ziel zu erreichen, müssten jährlich ungefähr 300 Hausärztinnen und Hausärzte ihre Tätigkeit aufnehmen. Heute seien es nicht einmal hundert. Von 10 Studierenden der Medizin liessen sich 7 zu Spezialisten und nur 3 zum Hausarzt ausbilden.
Die Hausarztmedizin sei in Gefahr, warnte auch SP-Nationalrat Pierre-Alain Fridez (JU). Damit sei die Qualität der Grundversorgung gefährdet. 70 Prozent aller Gesundheitsprobleme würden von Haus- und Kinderärzten gelöst, bei lediglich 4 Prozent der Gesundheitskosten. Mit ihrer Initiative hätten die Hausärzte einen Hilferuf lanciert. Und dieser sei gehört worden.