Beinahe-Zusammenstoss im All

Gäbe es intelligentes Leben auf dem Mars, würden den Marsianern aufregende Tage bevorstehen. Am Wochenende bekommt der Rote Planet seltenen Besuch: Ein Komet rast derzeit auf den Mars zu und wird ihn am Sonntag nur um Haaresbreite verfehlen.

Der Komet Siding Spring auf dem Weg in Richtung Mars (Bild: sda)

Gäbe es intelligentes Leben auf dem Mars, würden den Marsianern aufregende Tage bevorstehen. Am Wochenende bekommt der Rote Planet seltenen Besuch: Ein Komet rast derzeit auf den Mars zu und wird ihn am Sonntag nur um Haaresbreite verfehlen.

Weltweit warten Wissenschaftler gespannt auf diesen kosmischen Streifschuss. Sie dürfen auf spektakuläre Bilder der Begegnung unseres Nachbarplaneten mit dem Kometen Siding Spring hoffen – denn am Mars sind viele irdische «Spione» im Einsatz, die das einzigartige Ereignis vor Ort beobachten werden.

Für die Astronomen ist die Flugroute des im Januar 2013 entdeckten Kometen Siding Spring ein wahrer Glücksfall. Der Besucher vom Rand des Sonnensystems trifft am Mars auf eine kleine Armada von Forschungssonden und Robotern, die den Roten Planeten teils bereits seit Jahren erkundet.

Dazu zählen die europäische Raumsonde «Mars Express» und die US-Forschungssonden «Mars Reconnaissance Orbiter» und «Mars Odyssey» ebenso wie die erst im September am Mars eingetroffene Nasa-Sonde «Maven». Ausserdem hat die Nasa mit «Curiosity» und «Opportunity» zwei Rover auf der Oberfläche des Mars im Einsatz.

In Atmosphäre eindringen

Sie alle werden mit ihren Messgeräten und Kameras den heranrasenden Kometen ins Visier nehmen. Ihre Beobachtungen könnten Aufschluss über die Mars-Atmosphäre und die Beschaffenheit des Kometen-Schweifs geben. Denn der Komet, der mit einem Teleskop des australischen Observatoriums Siding Spring entdeckt wurde, wird höchstwahrscheinlich in die dünne Atmosphäre des Mars eindringen.

Immerhin schrammt Siding Spring am Sonntagabend unserer Zeit in einer Distanz von nur knapp 140’000 Kilometern am Mars vorbei – das entspricht gerade mal gut einem Drittel der Entfernung zwischen Erde und Mond. «Wir erwarten, dass sich der Kometenschweif und die Mars-Atmosphäre zum Teil vermischen werden», sagt der Wissenschaftler Markus Fränz vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) in Göttingen.

Das MPS ist am Teilchendetektor «Aspera 3» an Bord der ESA-Sonde «Mars Express» beteiligt. Mit diesem Instrument werden Forscher versuchen, nach der Mars-Passage von Siding Spring Bestandteile von dessen Schweif zu identifizieren. Der rund eineinhalb Kilometer grosse Kometenkern dürfte die Konsistenz von Talkumpuder haben, wie Nasa-Wissenschaftler herausfanden.

«Ich halte es für unwahrscheinlich, dass er bei seinem Vorbeiflug am Mars zerstört wird», zeigt sich der Nasa-Planetenforscher Wissenschaftler Jim Green überzeugt. «Interessant ist aber, ob er seine Struktur beibehält oder nicht.»

Zeitkapseln

Da Kometen als Zeitkapseln gelten, die primitives Material aus der Geburtszeit des Sonnensystems vor 4,6 Milliarden Jahren enthalten, könnten die Daten von Siding Spring auch Hinweise auf die Frühzeit unserer kosmischem Umgebung liefern. Damit würden die Astronomen dann «ein weiteres Puzzleteil zum Verständnis der Entstehung unseres Sonnensystems» in Händen halten, hofft der MPS-Forscher Fränz.

So spektakulär der enge Vorbeiflug des gut 200’000 Stundenkilometer schnellen Kometen am Mars sein wird – kurz nach der Entdeckung von Siding Spring hatten die Wissenschaftler sogar mit einem noch weitaus dramatischen Verlauf des kosmischen Rendezvous gerechnet. Aufgrund erster Bahndaten des Kometen schien es zunächst möglich, dass Siding Spring auf dem Mars einschlagen würde. Erst nach genaueren Berechnungen in den Folgemonaten gaben die Astronomen dann Entwarnung.

Sonst wäre die Menschheit um ein Haar zum zweiten Mal Zeuge eines Kometeneinschlags auf einem Planeten geworden: Im Juli 1994 waren die Trümmer des Kometen Shoemaker-Levy 9 mit 180-facher Schallgeschwindigkeit auf den Jupiter geprallt. Die Einschläge damals lösten die grössten Explosionen aus, die je von Menschen auf einem Planeten unseres Sonnensystems beobachtet wurden. Dass dem Mars ein ähnliches Spektakel erspart bleibt, wäre vermeintlichen Marsianern sicher recht gewesen.

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