Belgien fürchtet die Freilassung des Kindermörders Dutroux

Die „Affäre Dutroux“ erschüttert erneut Belgien: Familien und Angehörige der Opfer fürchten die vorzeitige Freilassung des Kindermörders Marc Dutroux. Der 55-Jährige, der lebenslang im Gefängnis sitzt, hat einen Antrag auf vorzeitige Haftentlassung gestellt.

Nach der Freilassung von Dutrouxs Ex-Frau demonstriert dieser Mann in Brüssel (Archiv) (Bild: sda)

Die „Affäre Dutroux“ erschüttert erneut Belgien: Familien und Angehörige der Opfer fürchten die vorzeitige Freilassung des Kindermörders Marc Dutroux. Der 55-Jährige, der lebenslang im Gefängnis sitzt, hat einen Antrag auf vorzeitige Haftentlassung gestellt.

Dutroux ist der bekannteste und meistgehasste Kriminelle Belgiens. Er hatte in den 1990er Jahren sechs Mädchen entführt und gefoltert, vier von ihnen starben. 2004 war er wegen mehrfachen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Derzeit sitzt Dutroux in einem Gefängnis im südbelgischen Nivelles.

Vor rund zwei Wochen war Dutrouxs Ex-Frau und Mittäterin Michelle Martin unter Auflagen vorzeitig freigekommen, sie lebt seitdem in einem Kloster in Südbelgien. Ihre Strafe von 30 Jahren wurde auf 16 Jahre reduziert. Tausende Menschen hatten dagegen protestiert.

Diesmal blieben Demonstrationen zunächst aus. „Lassen wir uns nicht manipulieren“, schrieb die Zeitung „La Dernière Heure“ am Samstag. „Er [Dutroux] verdient kein Geschrei, kein Gebrüll und keine Demonstrationen.“ Die Justiz solle in Ruhe ihre Arbeit tun können.

Juristen räumen Antrag kaum Chancen ein

Juristen wiesen darauf hin, dass der Fall Marc Dutroux ganz anders gelagert sei als der seiner Ex-Frau, die im Gefängnis nach eigenen Worten religiös geworden ist und nun in einer Klostergemeinschaft lebt.

„Er ist jemand, der praktisch keine Chance hat – auch auf lange Sicht -, wieder freizukommen“, sagte der Strafrechtler Marc Preumont im belgischen Radio RTBF. Dutroux erfülle keine der notwendigen Vorbedingungen.

So dürfe von ihm keine Gefahr mehr ausgehen, und er müsse einen Aufenthaltsort sowie eine Beschäftigung vorweisen. „Nichts davon ist geplant oder wurde von ihm vorgelegt“, sagte Preumont.

Regierung kann Freilassung verhindern

In der belgischen Öffentlichkeit herrscht die Gewissheit vor, dass die Regierung eine Freilassung des „Monsters“, wie die Opfer ihn nennen, verhindern wird.

Die Möglichkeit dazu bietet das Urteil von 2004: Es hatte „lebenslang“ gelautet plus eine zusätzliche „Sicherheits“-Strafe von zehn Jahren, über die die Regierung entscheidet. Sie könnte Dutroux somit in Haft behalten, selbst wenn die vorzeitige Entlassung genehmigt würde.

Unter dem öffentlichen Druck hatte die Regierung erst in der vergangenen Woche eine Änderung der Rechtslage auf den Weg gebracht. Demnach werden die Regeln für eine vorzeitige Entlassung verschärft, die künftig erst nach zwei Dritteln der Strafe – und nicht mehr nach einem Drittel – möglich sein soll. Dies wird aber lediglich für künftige Fälle gelten und nicht rückwirkend.

Anwalt war nicht informiert

Theoretisch könnte der Kindermörder und verurteilte Vergewaltiger von April 2013 an freikommen. Er hat ein Drittel seiner wahrscheinlichen Strafe abgesessen, die sich bei lebenslänglich an der durchschnittlichen Lebenserwartung berechnet.

Dutroux hat beantragt, in Freiheit mit einer elektronischen Fussfessel überwacht zu werden. Die Gefängnisleitung sowie die Strafbehörden werden Gutachten erstellen; dies wird voraussichtlich Monate dauern.

Dutroux hatte den Antrag gestellt, ohne seinen Anwalt zu informieren. „Ich war nicht auf dem Laufenden“, sagte Anwalt Ronny Baudewijn. Er rechne nicht mit einer Entscheidung zugunsten seines Mandanten.

Der Vater eines der ermordeten Mädchen, Jean Denis Lejeune, sagte im Radio: „Ich bin überhaupt nicht überrascht. Das Gesetz ist eben so, dass Marc Dutroux seine Freilassung fordern kann.“ Lejeune forderte von der Regierung, dies zu verhindern.

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