Belinda Bencic und Stan Wawrinka sind beide weiter im grossen Spiel um den Wimbledon-Pokal. Dabei beeindruckte insbesondere die junge Bencic, die nach einer verlorenen Startrunde doch noch aufholte.
Als Belinda Bencic am Montagabend erklärte, wo sie und ihre Familie während des Wimbledon-Turniers wohnen, gab es einen interessanten Nachsatz zu hören. Man sei wie im letzten Jahr bei einem älteren Ehepaar untergekommen, habe einige Zimmer angemietet und sei sehr zufrieden mit Kost und Logis, sagte die Teenagerin. Und fügte dann hinzu: «Die Zimmer sind jederzeit zu kündigen.»
Es war der Augenblick, in dem klar wurde, wie sehr sich Bencic von allem Geraune und Gerede über eine Mitfavoritinnenrolle bei diesen Offenen Englischen Meisterschaften des Jahres 2015 fern halten möchte, wie sehr sie von allem übertriebenen Rummel Abstand nehmen möchte. «Ich bin keine Favoritin, noch nicht einmal eine Geheimfavoritin oder ein Underdog mit großen Chancen. Ich bin einfach nur froh, hier spielen zu können», sagte Bencic nach ihrem schwer erkämpften 3:6, 6:1 und 6:3-Sieg gegen die Bulgarin Tsvetana Pironkova.
Bescheiden aber hartnäckig
Sogar ein paar Tränchen flossen bei der Ostschweizerin nach der Achterbahnfahrt der Gefühle, dem verlorenen ersten Satz und der turbulenten Aufholjagd mit Happy-End auf Court 18. Anfangs sah es so aus, als müsse die Juniorensiegerin des Jahres 2013 den großartigen Vorbereitungswochen Tribut zollen, dem Finalsieg auch in Eastbourne noch am Samstagnachmittag, doch auf der Zielgeraden dieser spannungsgeladenen Partie zeigte sich doch die ganze Hartnäckigkeit der jungen Wettkämpferin – mit einem energischen Finish im Entscheidungssatz und dem Vorstoß in die zweite Hauptrunde. «Jetzt freue ich mich erst mal auf meinen freien Tag», sagte Bencic und will anscheinend versuchen, auch mitten im Grand Slam-Streß auszuspannen und Kräfte aufzutanken. In der nächsten Runde trifft sie auf die formstarke Deutsche Anna-Lena Friedsam.
Auch Stan Wawrinka bleibt im großen Spiel um den Wimbledon-Pokal: Anders als nach seinem ersten Grand Slam-Coup bei den Australian Open 2014 folgte nun beim Major-Auftritt danach keine bittere Pleite – sondern ein routinierter Favoritensieg. «Ich bin sehr glücklich, wo ich mit meinem Spiel stehe», sagte French Open-Champion Wawrinka nach dem 6:2, 7:5, 7:6 (7:3)-Sieg über den Portugiesen Joao Sousa.
Wawrinka habe Respekt vor Burgos
Wiedersehen machte also Freude für den Romand, der Sousa auch schon in der Auftaktrunde des Wimbledon-Vorjahres bezwungen hatte. Wawrinka bekommt es nun am Mittwoch mit dem Tennis-Exoten Victor Estrella Burgos zu tun, dem stolzen und einzigen Vertreter der Dominikanischen Republik im Wanderzirkus. Ein «großer Fighter» sei Estrella Burgos, so Wawrinka, «ich habe Respekt vor ihm.»
Den erinnerungswürdigeren Auftritt hatte an diesem strahlenden Sommertag allerdings Bencic, die mit glänzenden Einträgen ins Arbeitszeugnis der letzten Wochen nach Wimbledon gekommen war – als sogar beste Rasenspielerin dieser Vorbereitungszeit. Doch in dieser terminlich dicht gedrängten Saisonphase wären ihr die guten Taten fast zum Fluch geworden.
Improvisationskunst gefragt
«In einigen Momenten des Matches spürte ich schon die Müdigkeit, die Strapazen aus den Turnieren vorher», sagte Bencic, «das war schon eine ziemliche Hektik jetzt vor Wimbledon. Ich konnte mich nur eine halbe Stunde auf den Rasenplätzen hier im Club einspielen. Und die sind ganz anders als die in Eastbourne zum Beispiel.»
So war auch ein wenig die Improvisationskunst der 18-Jährigen gefragt, die Qualität, schlicht das Bestmögliche aus leicht widrigen Umständen herauszuholen. «Ich finde, dass sie die ganze Situation bravourös gemeistert hat», sagte Vater Ivan Bencic. Kurze Kündigungsfrist hin und her: Die Untermieter Bencic wollen am liebsten doch noch lange, sehr lange sogar in ihrem Wimbledon-Haus bleiben.