Bergkantone fordern mehr Selbstbestimmung im Alpenraum

Das Ja zur Zweitwohnungsinitiative hinterlässt in den Bergkantonen auch zweieinhalb Jahre nach der Abstimmung seine Spuren. Weil der Bund in der Zwischenzeit mit weiteren umstrittenen Vorhaben an die Gebirgskantone gelangt ist, ergreifen diese nun die Offensive: Sie fordern mehr Selbstbestimmung.

Das Ja zur Zweitwohnungsinitiative ist in Bergkantonen umstrittten (Bild: sda)

Das Ja zur Zweitwohnungsinitiative hinterlässt in den Bergkantonen auch zweieinhalb Jahre nach der Abstimmung seine Spuren. Weil der Bund in der Zwischenzeit mit weiteren umstrittenen Vorhaben an die Gebirgskantone gelangt ist, ergreifen diese nun die Offensive: Sie fordern mehr Selbstbestimmung.

«Wir wollen bei jedem Geschäft, das unsere Region betrifft, Einfluss nehmen können», sagte Mario Cavigelli, Präsident der Regierungskonferenz der Gebirgskantone, am Montag vor den Medien in Bern. Angesprochen auf die für den Alpenraum folgenschwere Zweitwohnungsinitiative, sagte er: «Wir haben Massstäbe aufgesetzt bekommen, die zu weit gehen.»

Der Bündner Regierungspräsident sprach von weiteren «zentralistischen, bürotischgesteuerten Vorhaben», die von den Bundesbehörden einseitig beschlossen worden seien. Als Beispiel nannte er die vom Bund verlangten Standortentscheide zu Wind- und Solarkraftwerken. Solche Projekte würden oft lanciert, ohne die Konsequenzen für den Alpenraum zu berücksichtigen.

Auch bei anderen Geschäften wie etwa dem Agglomerationsverkehr müsse vermehrt auf die Anliegen der Gebirgskantone eingegangen werden, sagte der Walliser Staatsrat Jean-Michel Cina. Cavigelli drückte es allgemeiner aus: «Wir wollen ernst genommen werden, wir wollen, dass man uns etwas zutraut, wir wollen und müssen uns nicht bevormunden lassen.»

Landflucht führt zu Problemen

Die Forderungen der sieben Gebirgskantone kommen nicht von ungefähr. In den vergangenen Jahren und Jahrzehnten haben sich die Rahmenbedingungen für die Entwicklung des Alpenraums rasant und grundlegend verändert. «Viele Arbeitsplätze haben sich aufgelöst oder sind in die Agglomerationen verschoben worden», sagte Cavigelli.

Die Folgen seien frappant: eine signifikante Abwanderung der Jungen, eine Überalterung der Bergbevölkerung. Zudem habe der Verteilkampf zwischen dem Mittelland und dem Alpenraum zugenommen. «Der soziale und politische Zusammenhalt ist einer härteren Probe ausgesetzt als früher.»

Um diesen Risiken in Zukunft entgegenzuwirken, haben die Gebirgskantone eine neues Positionspapier vorgestellt. Es konkretisiere das Raumkonzept Schweiz für die alpin geprägten Räume, sagte Cavigelli. Zudem trage es den Herausforderungen der Bergkantone – Globalisierung, Mobilität, Landflucht oder Klimawandel – Rechnung.

Spagat zwischen Nützen und Schützen

Oft vergesse ein Teil der Bevölkerung, dass der Alpenraum nicht nur ein Erholungsgebiet, sondern auch ein Wirtschafts-, Lebens- und Kulturraum sei, sagte Cavigelli. «Wir dürfen den Anschluss an die schweizerischen Zentren nicht verlieren.» Deshalb müssten neben der touristischen «Kernkompetenz» auch ökonomische Ressourcen ausgeschöpft werden.

Konkret sollen etwa die Wasserkraftnutzung ausgebaut oder die Verkehrs- und Telekommunikationswege verbessert werden. Dies solle nicht ohne Rücksicht auf die Umwelt geschehen, versicherte Cavigelli: Auch die Bergkantone seien interessiert daran, ihre Region zu schützen.

Um die Situation in den Bergkantonen verbessern zu können, bräuchten sie «in prioritären Gebieten» mehr Freiheiten und weniger Einschränkungen. Ob dazu gesetzliche Anpassungen nötig wären, liessen die Vertreter der Alpenkantone Tessin, Uri, Wallis, Graubünden, Glarus, Obwalden und Nidwalden offen.

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