Das gesetzlich verankerte Fotoverbot im Bündner Bergdorf Bergün ist nach zwei Tagen bereits wieder aufgehoben. Angeblich war das von Anfang an so geplant und das ganze eine Werbeaktion. Die fanden nicht alle lustig.
Offenbar war es auch nie die Absicht, wie angekündigt Bussen für unerlaubtes Fotografieren zu verteilen. «Das Fotoverbot war eine Aktion in mehreren Akten mit einer geplanten Dramaturgie», sagte Cyrill Hauser, PR-Chef bei der federführenden Kommunikationsagentur Jung von Matt/Limmat der Nachrichtenagentur sda.
» Moment: Bergün hatte ein Fotoverbot? Hier gehts zurück zum Anfang.
Die Agentur entwickelte diese Kampagne zusammen mit dem Gemeindevorstand von Bergün, mit Bergün Filisur Tourismus und der kantonalen Organisation «Graubünden Ferien».
Der Bergüner Gemeindepräsident Peter Nicolay stellte am Donnerstagabend eine kollektive Sonderbewilligung aus für das Fotografieren im Dorf, wie die Gemeinde mitteilte. Die Sonderbewilligung ist notwendig, weil das Gesetz zum Fotoverbot nach Auffassung der Gemeinde rechtskräftig ist.
Stimmberechtigte waren eingeweiht
Das Verbot war am Montagabend von der Gemeindeversammlung nahezu einstimmig verabschiedet worden und trat schon am nächsten Tag in Kraft. Es wurde damit begründet, dass Bilder aus dem pittoresken Bergün Menschen unglücklich machten, die gerade nicht auf 1400 Metern über Meer im schönen Albulatal weilen könnten. Das wolle man verhindern.
Offenbar waren die Stimmberechtigten über die hinter dem Fotoverbot stehenden Absichten und auch dessen geplante Aufhebung informiert. Es scheint, als habe das halbe Dorf zwei Tage lang geblufft und Medien an der Nase herumgeführt. Nicht alle Journalisten goutieren das, wie branchenintern umgehend zu vernehmen war.
Das Fotoverbot im scheinbar verschrobenen Bergdorf in den Schweizer Alpen löste sofort ein riesiges, internationales Echo in Medien und auf Social Media aus. Obwohl den meisten Journalisten und Kommentarschreibern bewusst war, dass dahinter wohl eine Werbeaktion steckte, irritierte die gesetzliche Verankerung durch eine offenbar legitimierte Gemeindeversammlung.
«Wir haben gewusst, dass die Geschichte kontrovers aufgenommen wird», sagt der Bergüner Tourismusdirektor.
Viele Schreibende reagierten irritiert bis verärgert. In der Schweiz braute sich in den Kommentaren auf Zeitungsportalen ein Shitstorm zusammen. Der Tenor lautete: «Nach Bergün fahre ich nun erst recht nicht. Verbote gibt es in der Schweiz schon genug.» Die Kommentare im Ausland waren etwas wohlwollender, wenn auch selten überschwenglich.
Gemeindepräsident Nicolay zieht dennoch ein positives Fazit. Die Gemeinde hätte nie gedacht, ein derart grosse Medienecho auszulösen. Bilder des Dorfes seien nun gesuchter denn je. Nach Angaben der Beteiligten aus Werbung und Tourismus erreichte Bergün mit der Aktion Millionen von Menschen weltweit bei minimalen Ausgaben.
Kampagne geglückt?
Von den zahlreichen negativen und in der Schweiz nicht selten gar aggressiven Kommentaren wollen die involvierten Touristiker und Werber nicht überrascht worden sein, wie sie auf Anfrage erklärten. «Wir haben gewusst, dass die Geschichte kontrovers aufgenommen wird», sagte der Bergüner Tourismusdirektor Marc-Andrea Barandun.
Zudem würde sich die negative Welle bereits jetzt legen, positive Kommentare häuften sich, erklärte Cyrill Hauser, PR-Chef bei Jung von Matt/Limmat. Und im Ausland sei die Aktion von Anfang an positiver aufgenommen worden als in der Schweiz.
Zur Frage nach der Verhältnismässigkeit eines Gesetzerlasses im Dienste einer Werbekampagne sagte Tourismusdirektor Barandun: «Die Gesetzesänderung war notwendig, damit die Kampagne die richtige Wirkung entfaltet». Wie viele der dadurch auf Bergün aufmerksam gewordenen Menschen nun tatsächlich den Weg ins Albulatal finden, werde sich allerdings erst zeigen.