Ein Italiener der dritten Generation muss nach Verbüssung einer mehrjährigen Freiheitsstrafe die Schweiz verlassen. Er und seine Schweizer Frau könnten in Italien einen Neustart machen, befand das bernische Verwaltungsgericht.
Die Schweizer Justizgeschichte ist um ein Kapitel reicher: Das Berner Verwaltungsgericht hat die Ausweisung eines Italieners bestätigt. Der Mann ist zwar in dritter Generation in der Schweiz daheim, aber das «sehr schwere Verschulden» des Mannes rechtfertige die Wegweisung, heisst es in dem Urteil des bernischen Verwaltungsgericht.
Der heute 33-jährige Mann war 2007 und 2011 zu mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt worden. Nach dem zweiten Urteil ordnete der Kanton Bern die Wegweisung nach Haftentlassung an. Das Verwaltungsgericht hält diesen Entscheid für rechtens und gibt dem inzwischen auf freien Fuss gesetzten Mann Zeit bis 15. Januar 2015, um die Schweiz zu verlassen. Ob der Italiener das Urteil ans Bundesgericht weiterzieht, ist nicht bekannt.
Kein Menschenleben gefährdet, aber «nicht willens oder fähig» sich an die Rechtsordnung zu halten
In seiner Beschwerde hatte er geltend gemacht, er sei hier geboren, spreche perfekt Mundart und sei mit einer Schweizerin verheiratet. In Italien habe er nur entfernte Verwandte, zu denen er keinen Kontakt mehr habe. Eine Wegweisung wäre unverhältnismässig, zumal er nie Menschenleben gefährdet habe.
Das Verwaltungsgericht sah es anders. Der Mann sei «nicht willens oder fähig, sich an die hiesige Rechtsordnung zu halten», befanden die Richter mit Verweis auf die weit über 20 Delikte, darunter Raub, Diebstahl, Hausfriedensbruch, Waffen- und Drogenvergehen.
Das Paar könne die Ehe «über die Landesgrenzen hinweg leben».
Einem Neustart in Italien stünden «keine unüberwindbaren Hindernisse» entgegen. Schliesslich sei der Mann gesund und der italienischen Sprache mächtig.
Seiner Schweizer Ehefrau dürfe zugemutet werden, dass sie dem Mann folge, obwohl sie kaum Italienisch spreche. Zum Zeitpunkt der Heirat sei ihr ja bekannt gewesen, was ihr Mann alles auf dem Kerbholz habe. Allenfalls könne das Paar die Ehe «über die Landesgrenzen hinweg leben».
Schweiz-spezifischer Fall
Die Wegweisung eines Ausländers der dritten Generation komme sehr selten vor, sagte Alberto Achermann, Professor für Migrationsrecht an der Uni Bern, auf Anfrage. Der Fall ist nach seinen Worten für kaum ein anderes europäisches Land denkbar.
Denn erstens gebe es anderswo kaum Ausländer der dritten Generation; diese «Terzeros» seien in anderen Ländern längst eingebürgert. Zweitens kenne die Schweiz ein besonders strenges Ausweisungsrecht. «Es gibt kaum ein Land in Europa, das Secondos ausweist», stellte Achermann fest.