Im Kanton Bern soll die Prostitution nicht mehr sittenwidrig sein. So steht es im neu geschaffenen Prostitutionsgesetz, das der Grosse Rat am Donnerstag mit 117 zu 17 Stimmen verabschiedet hat.
Ob der Erlass in dieser Form Bestand hat, ist eine andere Frage. Denn mit der eigenmächtigen Aufhebung der Sittenwidrigkeit überschreitet der Kanton seine gesetzgeberische Kompetenz, wie der Regierungsrat betonte. Trotz Zustimmung in der Sache hatte die Regierung deshalb vorgeschlagen, auf den Passus zu verzichten.
Nach geltender Praxis des Bundesgerichts sind Verträge im Prostitutionsgewerbe nach wie vor sittenwidrig. Prostituierte können den ihnen zustehenden Lohn vom Freier nicht gerichtlich einfordern.
Damit werde an einem „alten Zopf“ festgehalten, betonten mehrere Votanten. Die Sittenwidrigkeit sei Ausdruck einer unerträglichen Doppelmoral im Umgang mit dem Sexgewerbe.
Denn Prostituierte seien zwar als Gewerbetreibende anerkannt; sie müssten Steuern und Sozialversicherungen zahlen. Doch zugleich enthalte man ihnen elementare Rechte vor, indem sie ihren Lohn nicht einfordern könnten und Mühe hätten, beispielsweise eine Unfallversicherung abzuschliessen.
Um ein „politisches Signal“ Richtung Bundeshaus zu setzen, hielt der Grosse Rat an seinem Gesetzestext fest. Zugleich sprach er sich mit grossem Mehr für eine Standesinitiative aus, die auf die Aufhebung der Sittenwidrigkeit zielt.
Der Rat klärte in zweiter Lesung noch einen weiteren offenen Punkt: Mit dem neuen Gesetz ermöglicht er die unselbständige Sexarbeit. Das verbessere den Schutz der Sexarbeitenden im Sozialversicherungsrecht und vereinfache die steuerliche Erfassung, betonten mehrere Votanten.