Der Fall des sogenannten «Heilers von Bern» kommt vor das Obergericht des Kantons Bern. Der 54-jährige Musiklehrer, der in erster Instanz zu einer Freiheitsstrafe von 12 Jahren und 9 Monaten verurteilt wurde, zieht das Urteil weiter.
Sein Anwalt Ernst Reber bestätigte am Donnerstag entsprechende Medienberichte. Sein Mandant beteuere nach wie vor seine Unschuld, sagte der Anwalt weiter. Dem Beschuldigten wird vorgeworfen, mindestens 16 Menschen vorsätzlich mit dem HI-Virus infiziert haben.
Er fechte unter anderem das psychiatrische Gutachten und die Analyse der HI-Virenstämme durch die Universität Zürich an, sagte der Verteidiger weiter. Auch die Aussage eines aidskranken Musikschülers, der «Heiler» habe ihm verseuchtes Blut angezapft, werde angefochten.
Strengere Strafe möglich
Auf die Berufung von Seiten des Beschuldigten hat die Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern mit einer sogenannten Anschlussberufung reagiert. Die Anschlussberufung bewirkt, dass das sogenannte Verschlechterungsverbot in Bezug auf die Sanktion wegfällt.
Das bedeutet, dass das Obergericht auch eine strengere Strafe als die erste Instanz aussprechen kann, wie Christof Scheurer, Informationsbeauftragter der Berner Staatsanwaltschaft, auf Anfrage sagte. Der zuständige Staatsanwalt hatte am «Heiler-Prozess» eine Freiheitsstrafe von 15 Jahren gefordert.
Das Regionalgericht Bern-Mittelland war im Wesentlichen der Argumentation der Staatsanwaltschaft gefolgt. Es erklärte den selbsternannten Heiler in einem gut zweiwöchigen Indizienprozess im März der schweren Körperverletzung und des Verbreitens menschlicher Krankheiten für schuldig.
Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Mann mindestens 16 Menschen vorsätzlich mit dem HI-Virus infiziert hat. Die Virenstamm-Analyse der Opfer und die Aussagen aller Beteiligten seien wie Puzzle-Teile, die sich zu einem schlüssigen Bild zusammenfügten, befand das Gericht.
Beschuldigter in Haft
Da es keine festen Beweise für die Schuld des «Heilers» gab, war das Gericht unter anderem darauf angewiesen, die Glaubhaftigkeit seiner Aussagen und diejenigen der 16 Infizierten zu beurteilen. Die allermeisten Aussagen der Opfer seien im Verlauf der Ermittlungen «konstant» geblieben, stellte das Gericht fest.
Obwohl schon im März ein Weiterzug des Urteils im Raum stand, blieb der Mann hinter Gitter. Denn das Gericht befürchtete, dass sich der schweizerisch-italienische Doppelbürger sonst der Strafe entziehen könnte. Der Mann wurde in Sicherheitshaft versetzt.