Anarchisten aus aller Welt sind am Mittwoch in den Berner Jura gepilgert. Bis Sonntag findet in St. Immer ein internationales Treffen von Libertären statt. Die Veranstalter rechnen mit rund 3000 Teilnehmern an den Workshops, Gesprächsrunden und Konzerten.
„Die Besucher kommen von allen Kontinenten ausser der Antarktis“, sagte Michel Nemitz vom autonomen Kulturzentrum Espace Noir in St. Immer vor den Medien. Dass das Treffen ausgerechnet in der 4800-Seelen-Gemeinde stattfindet, ist indes kein Zufall.
„St. Immer ist ein historischer Ort für die Anarchisten der ganzen Welt“ sagte Nemitz. Vor 140 Jahren nämlich fand in einem Gasthof in der Region eine Anarchisten-Zusammenkunft statt, aus der die erste anti-autoritäre Internationale hervorging.
Mit von der Partie war damals auch der russische Revolutionär und Philosoph Michael Bakunin. Die anti-autoritäre Internationale war eine Reaktion zu der von Karl Marx initiierten Internationalen. Anarchisten kritisierten diese als autoritär.
Gegen Gewalt
Der fünftägige Kongress soll nun unter anderem die Möglichkeit bieten, eine Bilanz der anarchistischen Bewegung zu ziehen, wie Nemitz weiter sagte. Zudem wollten die Anarchisten die Kräfte der Unterdrückten gegen ihre Unterdrücker bündeln. „Aber Gewalt ist nicht unsere Sache“, sagte der Gewerkschafter Aristides Pedraza.
Für die Anarchisten reichten Kundgebungen auf der Strasse jedoch nicht aus, um die Gesellschaft zu verändern oder der Wirtschaftskrise zu trotzen. Vielmehr brauche es Raum für Widerstand und Solidarität wie etwa bei der Bewegung der sogenannten Empörten, sagte Pedraza.
Die Veranstaltungen in St. Immer sind öffentlich. Auf dem Programm stehen etwa Konferenzen, Runde Tische, Ausstellungen, Film- und Theatervorführungen und eine Buchmesse. Zu den Gesprächsthemen gehören unter anderen die autonomen Kulturzentren, der zivile Ungehorsam, die Situation in Griechenland und die Schuldenkrise generell.
Grosses Medienecho
In St. Immer fallen die Anarchisten auf. Sie sind meist schwarz gekleidet und halten sich in Gruppen auf. Praktisch alle Altersklassen sind am Treffen vertreten.
Bei der Bergbahn zum Mont-Soleil treffen Wanderer und Libertäre aufeinander: Die einen wollen im Gebirge des Berner Juras wandern, die anderen wollen ein temporäres Zeltlager aufstellen. Die Stimmung erinnert teilweise an ein Open-Air.
Die massenweise Ankunft der Anarchisten dürfte ausserdem das Geschäft des lokalen Gewerbes ankurbeln. Derzeit bevölkern viele Libertäre die Terrassen der Gaststätten der Gemeinde. Für den Anlass steht überdies ein fünfsprachiger Kinderhort zur Verfügung.
Das anarchistische Treffen stösst ausserdem auf grosses Medieninteresse. Rund 70 Journalisten aus dem In- und Ausland haben sich für den Anlass akkreditiert.