Bundesrat Alain Berset versteht die Ablehnung der Initiative «AHVplus» als Nein zu höheren AHV-Renten. Der Zuschlag von 70 Franken, über den der Nationalrat ab morgen Montag diskutiert, ist seiner Ansicht nach aber keine Erhöhung.
Es handle sich um den Ausgleich für Ausfälle in der zweiten Säule, sagte Berset am Sonntag vor den Bundeshausmedien. Bei der hängigen Reform der Altersvorsorge ist eine Senkung des Umwandlungssatzes von 6,8 auf 6 Prozent geplant, was zu 12 Prozent tieferen Renten führen würde.
Es handelt sich um ein Kernelement der Vorlage. «Wir müssen alles unternehmen, um Mehrheiten zu finden», sagte Berset. Er warb daher für einen Mittelweg. Extreme Lösungen seien wohl nicht mehrheitsfähig. Die Ratsrechte lehnt den Rentenzuschlag ab, zudem will sie einen Automatismus zur Erhöhung des Rentenalters. Dagegen würde die Linke das Referendum ergreifen.
Auch die Bevölkerung wolle eine ausgeglichene Lösung, sagte Berset. Er erinnerte daran, dass wegen der wachsenden Rentnergeneration ein Loch in der Kasse der AHV droht. Ein Ziel der Reformvorlage ist es, dieses zu stopfen. Die Bevölkerung habe verstanden, dass es schon schwierig sei, die AHV finanziell zu stabilisieren, sagte Berset.
Gegner erleichtert
Das Stimmvolk habe erkannt, dass die «AHVplus»-Initiative zu einseitig und zu vereinfachend gewesen sei, sagt der Tessiner FDP-Nationalrat Ignazio Cassis. Laut Cassis braucht es eine Reform, die alle drei Säulen der Altersvorsorge berücksichtigt.
Mit der Ablehnung der «AHVplus»-Initiative sei ein reifer Entscheid an der Urne gefällt worden, sagte der Tessiner Politiker, der der vorberatenden Nationalratskommission für soziale Sicherheit und Gesundheit (SGK) vorsteht. Der Weg über das Parlament sei der richtige.
Die Bevölkerung müsse vor der Umsetzung der AHV-Reform aber geduldig sein. Cassis erwartet ein grosses Pingpongspiel zwischen den beiden Kammern, das zwischen sechs und neun Monaten dauern könnte.
Initianten trotz Nein zufrieden
Die «AHVplus»-Initianten gehen ihrerseits trotz deutlichem Nein an der Urne in die Offensive. Vor allem die zustimmendem Voten aus der lateinischen Schweiz zeigen laut SGB-Präsident Paul Rechsteiner: «Rentenkürzungen kommen bei der Bevölkerung nicht infrage.»
Das Resultat sei ein Fingerzeig ans Parlament: «Es ist jetzt klar, dass Rentenverschlechterungen vom Stimmvolk nicht goutiert würden», sagte Rechsteiner im Gespräch mit der Nachrichtenagentur sda.
Das Resultat heisse für die am Montag beginnende Debatte im Nationalrat, dass es bei der AHV keine Abstriche geben dürfe. Die kleine Kammer habe den Weg für die Reform vorgegeben, sagte der St. Galler SP-Ständerat. Streiche der Nationalrat die Rentenerhöhung um 70 Franken aus der Vorlage, werde dies der Gewerkschaftsbund (SGB) mit allen Mitteln bekämpfen.
Unia-Präsidentin Vania Alleva übte auch Selbstkritik: «Die Finanzierung unseres Anliegens war zu wenig klar», sagte sie. Trotzdem habe das Volk ihrer Ansicht nach das Bedürfnis, die AHV zu stärken.