Mit der Preisverleihung und dem Schweizer Bienen-Dokfilm „More Than Honey“ von Markus Imhoof ist am Samstag das 65. Festival del film Locarno zu Ende gegangen. Mit 161’680 Eintritten gegenüber 159’500 im Jahr 2011 verzeichnete das Festival erneut ein Besucherplus.
Allein die elf Abendvorstellungen auf der Piazza Grande zogen 63’600 Filmfans an, 2000 mehr als im Vorjahr. Am meisten Zuschauer verzeichnete erwartungsgemäss der erste Freitag mit den beiden prominent besetzten Hollywood-Produktionen „Ruby Sparks“ mit Antonio Banderas und „Magic Mike“ von Steven Soderbergh.
Auch der zweitbeliebteste Film, „No“ über die Absetzung Pinochets mit modernen PR-Mitteln, profitierte von einem grossen Namen: Gael García Bernal. Das vorgängige Publikumsgespräch mit dem mexikanischen Frauenschwarm, der in Locarno einen Excellence Award bekam, zog vornehmlich weibliche Massen an.
Am drittvollsten war die Piazza am Freitag, als Michael Steiners lang erwartete Horrorkomödie „Das Missen Massaker“ zur Uraufführung gelangte. Die Reaktionen reichten von Schenkelklopf-Gegröhle bis zu Buhs; als eigentliche Sensation des Abends erwies sich eine Sternschnuppe.
Ausgezeichnete Sparsamkeit
Für den Publikumspreis für einen Piazza-Grande-Film reichte es allen dreien nicht. Der ging an die deutsch-australisch-britische Produktion „Lore“ von Cate Shortland, in der sich eine Gruppe Kinder von ranghohen Nazis in den letzten Kriegstagen durch Deutschland schlagen.
Auch der Hauptpreis des Festivals, der Pardo d’oro, war eine Überraschung: Er ging an den 68-jährigen französischen Filmemacher Jean-Claude Brisseau für „La fille de nulle part“, eine mit einfachsten Mitteln in der Wohnung des Filmemachers mit ihm selbst in der Haupt- und weiteren Laien in Nebenrollen gedrehte Gespenstergeschichte.
Jurypräsident Apichatpong Weerasethakul sah darin einen Vorläufer des „New New Film“, ein Plädoyer für die Rückkehr zu einem Filmschaffen, das nicht mit grossen Budgets, sondern mit Willenskraft, Leidenschaft und Herzblut haushaltet.
Chinesische Willkür-Justiz
Weniger überraschend gingen zwei Silberne Leoparden – für Regie und Hauptdarstellerin – an den südkoreanisch-chinesischen Film „Wo hei you hua yao sho“ („When Night Falls“) von Ying Liang.
Mit Familienfotos, Tatort-Schnappschüssen und eher spärlicher Spielhandlung wird die wahre Geschichte erzählt von einer Mutter, die von der Justiz interniert wird, damit sie ihrem straffällig gewordenen Sohn keinen juristischen Beistand besorgen kann. Als sie endlich eine schriftliche Aussage abliefern darf, ist der Junge schon tot.